Am Mittwoch den 15.11.2023 tritt das Duo Vistél vom Cellomusiksalon im Kammermusiksaal der Philharmonie Beriin auf:
Archiv des Autors: Maria Brigitte Hanke
Duo Vistél begeisterte im Kammermusiksaal der Philharmonie in Berlin
Er ist ein Unikat mit den Spontan- und Sonntagskonzerten, der Reihe „Klassik um 11“ und er ist inzwischen zu einer festen Institution im Berliner Kulturleben geworden: der CelloMusikSalon in der Leipziger Straße 61, unweit des Gendarmenmarktes. Der kubanische Cellist Douglas Vistél und die Pianistin Almuth Kraußer-Vistél…haben mlt ihm einen liebenswerten feinen, kleinen Raum geschaffen, in der nicht nur Musik gehört, sondern auch erlebt und gelebt wird,, einen Ort für die Seele.
Botschafter der Cellomusik
12. November beging das „Duo Vistél“ mit einem Konzert im Kammermusiksaal der Philharmonie.ihr 30jähriges Bühnenjubiläum.
Liebe Almuth, lieber Douglas,
Danke, danke, das war ein bewegender und beglückender Abend, am 12.11. im Kammermusiksaal der Philharmonie. Jeder, der ihn erleben konnte, wird ihn nicht so schnell vergessen. Meine herzlichsten Glückwünsche zu eurem bedeutsamen Jubiläum. Das soll euch mal einer nachmachen. Ein steiniger, entbehrungsreicher und mühevoller Weg, getragen von dem Glauben an die Musik, hat euch zu diesem Höhepunkt geführt. Großer Respekt dafür, Hochachtung und Bewunderung. Mit eurem Beispiel drückt ihr die Kraft der Musik aus, die auch mir immer wieder neuen Mut gab und gibt. Wie viele Durststrecken gab es, wie viele Entbebrungen. Ihr habt sie auf euch genommen, ohne staatliche Hilfe. Das mache mal einer nach. Nein, ihr habt nicht aufgegeben. Ihr hattet mit eurem Konzept immer das Ziel vor Augen; die Cellomusik Jedermann nahe zu bringen.
Seid nochmals beglückwünscht und bedankt, dass ich so unverhofft an dem Jubiläumskonzert teilnehmen durfte.
Da ich einen exzellenten Platz hatte, konnte ich nicht nur gut hören, sondern euch auch auf die „Finger gucken“.
Du, liebe Almuth, spieltest in den ersten beiden Stücken für mich um euer Leben, mehr ging nicht. Es war absolut..Wie hast du das gemeistert.!! Euer ganzes bisheriges Leben lag in eurem Spiel. Douglas; der ja immer wieder mit seinen intensiven;; warmen von musikantischer, großherziger Begeisterung getragenen Ton und sein „ohne Noten Spielen“ besticht, wurde geradezu mitgerissen. Das ergab das wundervoll Ganze.
Ja, und der Brahms. Deine Kompositionen, lieber Douglas, sind so voll musikalischem Feuer.
Die Freude war für mich schon groß, als ich an der Kasse die lange Schlage stehen sah. Inzwischen habt ihr ja eine enorme Fangemeinde. An der Bushaltestelle hörte ich, wie eine Gruppe mit großer Begeisterung über eure Silverstermusik sprach. Ja, die Leipziger Straße 61 ist für viele Menschen nicht nur eine musikalische Heimat geworden.
Schön, dass es euch gibt.Weiter so. Auf eine gute Zukunft.
Maria Brigitte
Der RIAS Kammerchor im Dreivierteltakt
„Liebesreigen“ Johannes Brahms‘ im Spiegel seiner Zeitgenossen
Flexibilität und legendäre Wandlungsfähigkeit zeichnet den exzellenten Chor aus
Am 5. Dezember 2019 stimmten der RIAS Kammerchor und die Akademie für Alte Musik unter Justin Doyle im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt mit Kantaten von Johann Sebastian Bach auf die Advents- und Weihnachtszeit ein. Die begeisterten Zuhörer dankten es mit lang anhaltendem Beifall. Eine Woche zuvor bewies der exzellente Chor in seinem zweiten Abonnementkonzert in der Berliner Philharmonie mit „Liebesreigen“- Johannes Brahms im Spiegel seiner Zeit, erneut sein großes musikalisches Spektrum, die Biegsamkeit und farbenreiche Leuchtkraft der Stimmen, auch in den Soli, seine Flexibilität und legendäre Wandlungsfähigkeit.
Robin Ticciati mit dem Deutschen Symphonie-Orchester auf neuen Wegen
Mozarts drei letzte Sinfonien auf Darmsaiten und Instrumenten ohne Ventil
Es war ein Erlebnis der besonderen Art. Ein Abend, der nachklingt. Das Deutsche Symphonie-Orchester bot unter seinem Chefdirigenten und künstlerischen Leiter, Robin Ticciati, die drei letzten Sinfonien, die Wolfgang Amadeus Mozart in einer ökonomischen Krise im Sommer 1788, in der unglaublichen Zeit von nur neun Wochen, komponiert hatte. Der dynamische Dirigent, unlängst für seine musikalischen Verdienste zum „Officer of the Order of British Empire“ gekürt, verabschiedete sich mit einer verkleinerten Orchesterbesetzung von zehn Ersten, acht Zweiten Violinen, je sechs Bratschen und Violoncelli sowie 5 Kontrabässen von festgefügten Aufführungstraditionen der meisten Konzertorchester. Und er ließ, um einen warmen, facettenreichen Klang zu erlangen, die Streicher auf Darmsaiten und die Bläser auf schlanker klingenden Naturhörnern und Naturtrompeten spielen. Für die Ensembles Alter Musik gängige Praxis. Für das DSO Berlin ein nicht zu unterschätzender Wagemut und eine Herausforderung.
Beifallskundgebungen für Siegfried Matthus nach der Uraufführung seiner Oper „Effi Briest“ am Cottbuser Jugendstiltheater
Thomas Mann schrieb am 25. Dezember 1919 zum 100. Geburtstag Theodor Fontanes im Berliner Tageblatt über dessen Roman „Effi Briest“: er sei des Dichters „modernstes Werk, das am deutlichsten über die bürgerlich realistische Epoche hinaus in die Zukunft weist.“ Diese bewegende weibliche Leidensgeschichte der Weltliteratur mit tödlichem Ausgangs hat u.a. immer wieder zu Adaptionen für Bühne und Film gereizt. Nun also 100 Jahre später eine musikalische Umsetzung des Meisterwerks, eine Oper von Siegfried Matthus.Sie erlebte am 19. Oktober in der Regie von Jakob Peters-Messer, musikalisch geleitet von Alexander Merzyn, am Staatstheater Cottbus ihre Uraufführung.
Bemerkenswerte Liudmila Lokaichuk
„Effi Briest“ ist nicht die erste Fontane-Oper des anerkannten und theatererfahrenen Siegfried Matthus. Mit Blick auf den 200. Geburtstag des Märkischen Dichters hatte der inzwischen 85jährige vorausschauende Komponist Matthus bereits die „Grete Minde“ vertont. Die Oper wurde vor fünf Jahren zu den Fontane-Festspielen in Neuruppin uraufgeführt. Für beide Werke hat Frank Matthus, Sohn des Komponisten, das Libretto verfasst. Für beide stand die in ihrer Gestaltungskraft und musikalischen Umsetzung bemerkenswerte junge russische Sängerin zur Verfügung: Liudmila Lokaichuk. Siegfried Matthus hat sie bereits für die Kammeroper Rheinsberg entdeckt und ihr die Effi quasi „auf den Leib geschneidert“.
Berührendes Psychogramm einer zerbrochenen Seele
Inzwischen ist die vielversprechende Sopranistin an der Oper Halle engagiert, gastiert aber weiterhin in Cottbus. Ihre hinreißende Darstellung der Effi ist von großer Intensität, Sensibilität und Überzeugungskraft. Liudmila Lokaichuk spielt den unerfahrenen, lebensfrohen 17jährigen Wildfang, den die Mutter an den Baron von Innstetten verkuppelt, der einst selbst um deren Hand angehalten hat, ebenso lebensnah wie die durch gesellschaftliche Ächtung an gebrochenem Herzen zu Grunde gehende junge Frau. Sie bietet ein berührendes Psychogramm einer zerbrochenen Seele.
46 filmschnittartige Kurzszenen
Es ist kein leichtes Unterfangen ein Prosawerk in seiner Vielschichtigkeit in eine knappe dramatische Form zu bringen. Das Duo Matthus hat es verstanden in 46 filmschnittartigen Kurzszenen mit musikalischen Zwischenspielen den Handlungsverlauf des Romans so originalgetreu wie möglich wiederzugeben. Epilog und Nekrolog umrahmen die Handlung. Sie zeigen die Eltern am Grab ihrer Tochter Effi mit der Frage nach der eigenen Schuld an deren frühem Tod. „Es ist ein zu weites Feld“, resümiert der Vater.
Das Bühnenbild von Guido Petzold, ein halbhohes Wandsegment, gleich einer Klagemauer, und die Lichteffekte ermöglichen mit den Kostümen von Sven Bindseil einen schnellen Wechsel der Szenen und verweisen auf die jeweilige Gefühlslage der Personen-
Oper der leisen Töne
„Effi Briest“, das Alterswerk von Siegfried Matthus, ist eine Oper von großer Schlichtheit. Eine Musik der leisen Töne, der Stille. Es sind musikalische Miniaturen, auch Orgelklänge, die auf das Geschehen hinführen und sie zu einem Abgesang an das Leben erscheinen lassen. Dieses findet ebenso am Dirigentenpult, in der Inszenierung und in den 23 solistischen Gesangsrollen eine adäquate Umsetzung.
Leider war der Crampas, auch in der Ausstrahlung etwas zu grau. Martin Shalita konnte in der Uraufführung den Part wegen Stimmversagens nur spielen. Dem Apotheker Gießhübler, von Christian Henneberg mit Noblesse verkörpert, hätte man eher den Fehltritt Effis abgenommen. Andreas Jäpel begeisterte als überzeugender Baron von Innstetten, als Mann von Charakter, der sogar als Vater zärtliche Momente zeigen kann, jedoch, Verfangen in den Wertvorstellungen seiner Zeit, die gesellschaftlichen Konventionen nicht zu durchbrechen vermag. Carola Fischer als die warmherzige Kinderfrau Roswitha wird mir ebenso lange im Gedächtnis bleiben.
Wer Fontanes „Effi Briest“ im Schnelldurchlauf kennenlernen will, sollte nach Cottbus fahren.
Weitere Aufführungen stehen am 24.10., 31.10., 22.11. und 21.12.auf dem Spielplan.
Grandioses, lange verschollenes Alterswerk von Heinrich Schütz „Der Schwanengesang“ in faszinierend ausdrucksstarker, facettenreicher Darbietung
Heinrich Schütz` ergreifende Vertonung des 119. Psalms, die er zusammen mit dem 100. Psalm und dem Deutschen Magnificat als „seinen Schwanengesang“ bezeichnete,1671, ein Jahr vor dem Tod, für die zwei Emporen der Dresdner Schlosskirche beendet, fand im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie mit dem Rias Kammerchor und der von Katharina Bäuml geleiteten Capella de la Torre unter Justin Doyle eine musikalisch archaische wie brillant farbenprächtige Umsetzung und ein dankbares Publikum.
Es war ein Abend, der lange im Gedächtnis bleibt. Mit diesem bewegenden, von tiefem Humanismus und großer Religiosität getragenen Opus ultimum eröffnete der Chor, der von einer britischen Zeitschrift zu den zehn besten der Welt gekürt wurde, und sein Chefdirigent und künstlerischer Leiter, Justin Doyle, die Konzertsaison 2019/20. Mit diesem erhabenen Programm bestritt der Rias Kammerchor als „artist in residence“ auch am 4. Oktober das Eröffnungskonzert des jährlich stattfindenden Heinrich Schütz Musikfestes in Gera. Hier hatte Justin Doyle als Besonderheit seinen diesjährigen Patenchor, den Konzertchor des Geraer Goethe-Gymnasiums/Rutheneum, einbezogen..
Eine Aufführung des 13-teiligen Schwanengesangs war zu Lebzeiten des Henrici Sagittarius, so der latinisierte Name seit dem ersten Venedigaufenthalt und der Begegnung mit dem verehrten Lehrer Giovanni Gabrieli in San Marco, wohl nicht zustande gekommen. Es fehlt auch der Nachweis, dass die 176 Verse des 119. Psalms, die Schütz in elf konzertierenden doppelchörigen Motetten mit basso sequente und den Gloria-patri-Schlüssen („wie es war im Anfang“) als symbolische Vertonung der Bibel zusammenfasste, später zur Kenntnis genommen worden waren, obwohl ihm daran gelegen haben muss. Denn ohne Erfolg soll er noch kurz vor dem Tod seinen Adlatus Constantin Christian Dedekind ermutigt haben die Motetten mit einer Ad-libitum-Instrumentierung zu versehen, wie er es von dem geschätzten Michael Praetorius kannte. Doch der Zeitgeschmack hatte sich gewandelt, und der Schwanengesang galt für die Nachwelt Jahrzehnte als unwiederbringlich verschollen.
Erst im Jahre 1900 geschah das Wunder. In der Neißestadt Guben war man bei einer Generalinventur des Pfarrarchivs der dortigen Stadt und Hauptkirche auf sechs der ursprünglich neun Stimmbücher des gewaltigen Opus ultimum von Heinrich Schütz gestoßen. Der bekannte Schriftsteller Stefan Zweig konnte 30 Jahre später in einem Kölner Antiquariat ein siebentes Stimmnbuch mit der Orgelstimme erwerben. Doch nach dem zweiten Weltkrieg waren diese Funde wieder spurlos verschwunden. Über dreißig Jahre später konnte sie Wolfram Steude in der Landesbibliothek Dresden unter zurückgekehrtem aber noch nicht archiviertem Auslagerungsgut wieder aufspüren. Die zwei fehlenden Stimmbücher, Sopran und Tenor aus Chor II , blieben weiterhin verschollen. 1981 gab es in Dresden die erste von Wolfram Steude rekonstruierte Uraufführung des polyphonen Meisterwerks und 1984 erfolgte der Erstdruck innerhalb der „Neuen Schütz Ausgabe“ im Deutschen Verlag für Musik in Leipzig.
Hans Christoph Rademann, der Vorgänger von Justin Doyle als Chefdirigent des Rias Kammerchores, hat im Jahr 2000 eine Aufnahme mit dem Dresdner Kammerchor und dem Ensemble „Alte Musik Dresden“ im Label Raumklang herausgebracht, die die Leipziger Edition von 1984 zur Vorlage hatte. Sie zählt in ihrer bewegten Schlichtheit bislang zu meinen ganz besonderen Schätzen.
Inzwischen veröffentlichte 2017 der Carus Verlag in Stuttgart eine quellenkritische Schützausgabe mit den Ergänzungen ihres Herausgebers Werner Breig, der sich Justin Doyle und Katharina Bäuml für ihren Abend zur Saisoneröffnung des Rias Kammerchores verpflichteten. Sie konnten damit dem grandiosen ergänzten Torso durch eine facettenreichere Instrumentierung der Singstimme ein neues farbenreiches Klangsspektrum verleihen.
Der hochartifiziellen Musik von überzeitlicher Gültigkeit des Heinrich Schütz haben Werke von Giovanni Gabrieli, Michael Praetorius und Giovanni Bassano einen zusätzlich erhabenen Glanz verliehen.
Maria Brigitte Hanke
Puccinis Turandot am Cottbuser Staatstheater: stehende Beifallsbekundungen

Staatstheater Cottbus
TURANDOT
Oper von Giacomo Puccini
Szenenfoto mit: (im Vordergrund) Soojin Moon (Turandot) und Martin Shalita (Calaf); (im Hintergrund) Ulrich Schneider (Timur)
© Marlies Kross
Puccinis letzte Oper „Turandot“ wurde nach 90 Jahren erstmals wieder am Cottbuser Staatstheater inszeniert.
Das Premierenpublikum war begeistert. Mit stehenden Beifallsbekundungen bedankte es sich am vergangenen Sonntag, nicht nur bei den Hauptdarstellern, für einen abwechslungsreichen, gelungenen Opernabend
Donizetti besticht durch glänzend melodische Erfindungsgabe
Donizetti, unbestrittener Herrscher der italienischen Oper
Von dem Dreigestirn der italienischen Opernkomponisten des 19. Jahrhunderts Rossini, Bellini, Donizetti war Letzterer der Produktivste. Auf über 70 Opern hat es der 1797 in Bergamo als Sohn eines Pfandhauspförtners Geborene innerhalb von 27 Jahren gebracht. Er verfügte über eine glänzend melodische Erfindungsgabe, die seinen Werken die Frische und Lebendigkeit verlieh, die das Publikum, das unterhalten werden wollte, von ihm erwartete.
Bravorufe am Schluss: Gaetano Donizettis selten aufgeführte Oper DIE FAVORITIN in französischer Originalfassung in Cottbus
Nachdem vor drei Jahren mit LUCIA DA LAMMERMOOR eine der genialsten Kreationen Donizettis am Staatstheater Cottbus zur Aufführung kam, ist derzeit ein weiteres Werk des italieniscben „Praktikers des Operntheaters“ ebenda zu erleben.
Unter dem Dirigat Ivo Hentschels und in der Regie des Hausherrn Martin Schüler feierte am 17. Oktober die1840 in Paris uraufgeführte Belcanto-Oper DIE FAVORITIN im Jugendstilhaus am Schillerplatz eine mit Bravorufen bedachte Premiere.
Wir berichten demnãchst ausführlich darüber. Vorerst einige Impressionen in Bildern der Theaterfotografin Marlies Kross
Das Kunstmuseum Wolfsburg – hochkarätige Sammlung von Gegenwartskunst und Labor einer globalen Ausrichtung
Dr. Ralf Beil ist seit Februar 2015 Direktor des innerhalb von 20 Jahren internationale Ausstrahlung erlangten Hauses
An der Kürze der Fahrt gemessen, könnte Wolfsburg ein Vorort von Berlin sein. Dass die durch „Volkswagen“ emporgewachsene, geprägte und in die Schlagzeilen gekommene Stadt an der Aller 120 000 Einwohner zählen soll, vermutet man nicht, wenn man von der Bundeshauptstadt kommend auf dem Bahnhof eintrifft. Doch der Service in der Tourist-Information ist großstädtisch. Und die Kunsthalle mit dem Japangarten im Innenhof, die in ihrer grauen Erhabenheit die Sternwarte in unmittelbarer Nähe überragt, unterstützt dieses Empfinden. Sie wurde von dem Hamburger Architekturbüro Schweger und Partner als offene, transparente Stadtloggia mit einem weit überspannenden Glasdach auf dem Hollerplatz konzipiert. Die 16 Meter hohe zentrale Halle, an drei Seiten von variablen Ausstellungsräumen umgeben, und die separate zweigeschossige Galerie bieten den Kuratoren und Museumsarchitekten ungeahnte Möglichkeiten.
Das von einer gemeinnützigen Stiftung getragene Kunstmuseum, das sich von Anbeginn als Forum der Künste und des Lebens versteht, weiß sich zu präsentieren. 1994 feierte es die Eröffnung mit einer Retrospektive des französischen Malers und Graphikers Fernand Léger. Seitdem wurden über 125 Ausstellungen gezeigt. Zum 20jährigen Jubiläum, war es die Schau „Oskar Kokoschka, Humanist und Rebell, die das Publikum in seinen Bann zog. Immer wieder präsentierte sich das Museum als „weltoffene Schaubühne“ mit kontrastreichem Programm, großangelegten historischen und thematischen Ausstellungen: Japan und der Westen, 2007, ArchiSkulptur; Interieur/Exterieur, umfangreichen und kleineren Werkschauen von Künstlern wie Bart van der Leck, Andy Warhol, Olafur Eliasson, Rebecca Horn, Alberto Giacometti, Neo Rauch, Frank Stella, Roy Lichtenstein.
Bis zum 13. September diesen Jahres war es der österreichische Bildhauer Erwin Wurm, „der Meister des großartig Unzweckmäßigen“ der u.a. in der zentralen Ausstellungshalle mit Fichte den Märchen- und Mythenwald der Deutschen Kopf stehen ließ. Parallel dazu lotete Walk The Line die Artikulationsmöglichkeiten zwischen Bild und Schrift, zwischen Fläche, Linie und Raum aus, zeigte, dass Zeichnen auch „Denken mit dem Stift“ bedeutet.
Gegenwärtig – und noch bis 31. Januar nächsten Jahres – ist Dark Mirror. lateinamerikanische Kunst seit 1968 im Kunstmuseum präsent. Eine Schau, die mit 150 Werken aller Kunstgattungen, Installationen, Objekten, Gemälden, Fotografien, Videos und Papierarbeiten, auf 1100 Quadratmetern Fläche die Vielseitigkeit der Kunst Mittel- und Südamerikas erahnen lässt. „Sie dient uns damit zugleich“, so der neue Museumsdirektor, Dr. Ralf Beil, „als erstes Labor einer globalen Ausrichtung und Sammlungserweiterung“.
Seit Februar leitet Dr. Ralf Beil die Geschicke des Hauses. Bis dahin hatte der 1965 in Kobe (Japan) Geborene neun Jahre lang das Direktorat des Institut Mathildenhöhe Darmstadt inne. “Für mich, als dritten Direktor des Kunstmuseums ist Welterkenntnis durch Kunst und Kultur im weitesten Sinne die zentrale Triebfeder meiner Arbeit“, resümierte er nach 100 Tagen Amtszeit Er sieht das Museum als Bewusstseinsmaschine: „Woher kommen wir – Wo stehen wir – Wohin gehen wir“. Sein Ziel ist ein Museum mit Weitwinkel, das zugleich Mikroperspektiven wahrnehmbar macht und immer wieder die Grenzen zu unser aller Leben überschreitet. „Kunst braucht Raum, um sich zu entfalten, und den wollen und können wir ihr hier im Kunstmuseum Wolfsburg geben“.
Der neue Mann will das komplette Gebäude auf den Prüfstand stellen. „Ob im Leben oder in der Kunst – zentral ist, dass wir mit Veränderungen bei uns selbst beginnen, vor unserer Haustür, in unmittelbarer Umgebung“. Deshalb wird die für Frühjahr 2016 konzipierte Ausstellung Wolfsburg Unlimited heißen. Zahlreiche Künstler sollen die Stadt im Museum und das Museum in der Stadt spiegeln. Im Herbst/Winter 2016 will der Chef mit der Ausstellung This was Tomorrow. Die Erfindung der PopArt in Großbritannien einen mikroskopischen Blick auf das England der Nachkriegszeit werfen und die Ursprünge der westlichen Mediengesellschaft in den 1950er und 1960er Jahren beleuchten. Danach ist, parallel zur documenta 14, die Soloschau eines Gegenwartskünstlers angedacht und im Herbst/Winter 2017 soll „mit Panoramablick und Tiefenschärfe die Weite Amerikas als ebenso mythologische wie geopolitische Konstante“ in den Fokus genommen werden.
Maria Brigitte Hanke