Bewegende Festgabe zum Johann-Crüger-Gedenkjahr
Der langjährige Berliner Nikolaikantor Johann Crüger ist in die Musikgeschichte als der bedeutendste Melodienschöpfer der evangelischen Kirche nach Luther eingegangen. Er hat aber nicht nur mit seinen eigenen Liedvertonungen Zeichen gesetzt, sondern sich auch als Gesangbuchherausgeber bleibende Verdienste erworben. Um den Bedrängnissen des 30jährigen Krieges entgegenzuwirken und über die eigene Kirchengemeinde hinaus Trost und neue Hoffnung zu spenden, brachte er bereits 1640 ein „Newes vollkömliches Gesangbuch“ heraus, dem er sieben Jahre später eine erweiterte Neuausgabe unter dem Titel „Praxis Pietatis Melica“, „Übung der Gottseligkeit in christlichen und trostreichen Gesängen“, folgen ließ.
Nach dem Ende des Krieges legte er bis 1661 acht weitere, jeweils um neue Gesänge, nicht nur aus der eigenen Feder, bereicherte Editionen vor. Nach seinem Tod, führte der Stadtmusiker Jakob Hintze seine Bemühungen verantwortungsvoll fort. Die letzte, 45. Berliner Ausgabe erschien 1736. Inzwischen hatten längst rührige Verleger in Frankfurt am Main, Stettin und anderen Orten Nachdrucke in veränderter Gestalt vorgelegt, und nicht wenige von Crügers Liedschöpfungen waren in andere Gesangbücher übernommen worden.
Die Forschungsgemeinschaft der Franckeschen Stiftungen in der Saalestadt Halle hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesen „Meilenstein evangelischen Gesangbuchschaffens“ in einer neuen kritischen Edition vorzulegen. Das umfangreiche Vorhaben wird geraume Zeit in Anspruch nehmen. Zum gegenwärtigen Crüger-Gedenkjahr haben die beiden Herausgeber Wolfgang Miersemann und Hans-Otto Korth aber bereits einen Auswahlband zusammengetragen, der einen möglichst breiten Kreis von Kennern und Liebhabern ansprechen möchte. Er enthält zwar nur 33 der 550 Gesänge aus der letzten, zehnten und umfangreichsten von Crüger selbst besorgten Ausgabe, gibt aber einen umfassenden Eindruck von seiner imponierenden Schaffensleistung und belegt die weite Spanne seiner Interessen und seiner Kompetenz zwischen Tradition und Innovation.
Zu danken ist das vor allem den ausführlichen Anmerkungen zu jedem Lied im Anhang und dem umfangreichen Nachwort, mit dem Christian Bunners den Band bereichert hat. Er hatte sich bereits mit zahlreichen früheren Veröffentlichungen als profunder Kenner Johann Crügers und seines Dichter-Freundes Paul Gerhardt ausgewiesen. Unmittelbar vorausgegangen war im Berliner Verlag für wissenschaftliche Literatur Frank und Timme ein von ihm herausgegebener Sammelband mit eigenen Aufsätzen und einer ansehnlichen Zahl von Bild- und Textdokumente zu Crügers Leben und Werk aus nahezu vier Jahrhunderten. Dr. Bunners belegt einprägsam, welche vielgestaltigen Anregungen Crüger, Konfessionsgrenzen überschreitend, in sein Gesangbuch und seine eigenen Liedschöpfungen aufgenommen hat: Gesänge der Böhmischen Brüder, Psalmvertonungen aus Frankreich und der Schweiz, italienische Intentionen u.v.m..
Die Liedauswahl beschränkt sich nicht auf Wohlbekanntes. Sie greift in jedem Falle auf die Originalgestalt der Gesänge zurück. Dem häuslichen Singen und Musizieren wollen die jeweils vierstimmigen, zumeist leicht zu bewältigenden Begleitsätze dienen, die Axel Gebhardt auf der Grundlage von Crügers Generalbassversionen erarbeitet hat. Seinen ganz besonderen Wert und Reiz gewinnt der Band durch die Faksimile-Bildwiedergaben aus sieben Ausgaben der Praxis Pietatis Melica und lutherischen Gesangbüchern des 16. Jahrhunderts.
Schmücke dich, o liebe Seele. 33 ausgewählte Kirchenlieder aus Johann Crügers PRAXIS PIETATIS MELICA. Musikalisch eingerichtet von Axel Gebhardt auf Grundlage der kritischen Edition des Crügerschen Gesangbuchs von Hans-Otto Korth und Wolfgang Miersemann. Mit einem Nachwort von Christian Bunners .Verlag der Franckeschen Stiftungen Halle / ortus musikverlag Beeskow-Berlin 2012. 92 Seiten mit 14 Faksimile-Abbildungen. Festeinband 25 Euro.
Autor: Wolfgang Hanke