Fünfte Saison der Berliner Staatsoper: Von Monteverdi und Telemann bis zur Gegenwart

Vielfältige Vorhaben im Schiller-Theater in 2014/15 geplant  trotz der noch längst nicht abgeschlossenen Restaurierungsarbeiten im Stammhaus Unter den Linden

Staatsoper im Schillertheater

Staatsoper im Schillertheater, Außenansicht (Foto: Thomas Bartilla)

Anfang September 2014 eröffnet die Berliner Staatsoper ihre fünfte Spielzeit im Ausweichquartier Schiller-Theater. Ihr Leitungsteam mit Intendant Jürgen Flimm und Generalmusikdirektor Daniel Barenboim an der Spitze ließ sich nicht davon beirren, dass die Restaurierungs- und Umbauarbeiten am historischen Stammhaus Unter den Linden noch weitere Zeit in Anspruch nehmen werden, und stellte erneut ein ereignisreiches Veranstaltungsprogramm mit 15 Premieren, davon 6 auf der Werkstattbühne, 21 Werken des Repertoires, einem verlockenden Angebot für die jungen und jüngsten Besucher und einer Vielzahl von Konzerten an unterschiedlichen Orten zusammen, über die die beiden Jahresbroschüren mit ausführlichen Erläuterungen zu den einzelnen neu zu erlebenden Werken und ihren Komponisten umfassend Aufschluss geben. Besonderen Wert legten die Veranstalter auch diesmal auf wenig bekannte, neu zu entdeckende Werke, nicht nur aus der Gegenwart und jüngsten Vergangenheit.

Das Eröffnungsfest zur neuen Saison mit einem erlebnisreichen Programm für alle Generationen, auch die jüngsten Besucher, ist für den 21. September 2014 angekündigt. Zuvor gibt es am 2. September bereits eine erste bedeutungsvolle Premiere mit einem Projekt des Schweizer Theatermachers Christoph Marthaler zu Musik jüdischer Komponisten aus Tschechien, Polen und Wien, das von den Wiener Festwochen übernommen wird: „Letzte Tage. Ein Vorabend“. Das mutige Werk ist an den folgenden Tagen vier weitere Male zu erleben, gefolgt von einigen Aufführungen des Staatsballetts und Wiederaufnahmen aus dem Repertoire, „La Traviata“ von Giuseppe Verdi und „Candide“ nach Voltaire von Leonard Bernstein. Als offizielle Eröffnungspremiere dirigiert Daniel Barenboim am 3. Oktober mit „Tosca“ seine erste Puccini-Oper in einer szenischen Neudeutung des lettischen Schauspielregisseurs Alvis Hermanis.

Sebastian Weigle ist wieder in Berlin zu Gast

Benjamin Britten hatte 1968 im Haus Unter den Linden tief beeindruckend sein War Requiem am Dirigentenpult geleitet. Seltsamerweise erlebt er erst in diesem Jahre, am 15. November, sein Debüt an der Berliner Staatsoper als einer der überragenden Meister des Musiktheaters mit der „Geisteroper“ „The Turn of the Screw („Die Drehung der Schraube“), inszeniert von Claus Guth und musikalisch geleitet von Ivor Bolton. Die vierte Premiere folgt am 18. Januar 2015 mit Carl Maria von Webers „Freischütz in einer neuen Inszenierung von Michael Thalheimer. Die musikalische Leitung übernimmt der Generalmusikdirektor der Oper in Frankfurt am Main, Sebastian Weigle, der seine Dirigentenkarriere als Assistent Daniel Barenboims Unter den Linden begann und zuvor der Berliner Staatskapelle bereits 15 Jahre als Solo-Hornist angehörte.

Im Rahmen der Oster-Festtage des kommenden Jahres leitet Barenboim am 28. März 2014 seine dritte Berliner Premiere von Richard Wagners „Parsifal“. Regie führt Dmitri Tscherniakov, der sich am Beginn der gegenwärtigen Spielzeit bereits mit Rimsky-Korsakows Meisterwerk „Die Zarenbraut“ hohes Ansehen errang. Eine reizvolle Wiederentdeckung verspricht Georg Philipp Telemanns 1728 zum 50jährigen Bestehen des Hamburger Gänsemarkt-Theaters komponierte Oper „Eginhard und Emma oder die Last-tragende Liebe“ aus dem Umfeld Kaiser Karls des Großen unter der musikalischen Leitung des Alte-Musik-Spezialisten René Jacobs, inszeniert von Eva-Maria Höckmayr. Die Premiere ist am 26. April des kommenden Jahres zu erwarten, gefolgt von zunächst vier weiteren Aufführungen bis zum 10. Mai. Eine Einführungsmatinee geht am 19. April 2014 voraus. Am 6. und 10. Juni wird Edita Gruberova in zwei konzertanten Aufführungen des Melodrammas „La Straniera“ von Vincenzo Bellini unter der musikalischen Leitung von Peter Valentinovic in der tragenden Partie zu hören sein. Am 14. Juni 2014 erlebt Richard Strauss’ „Ariadne auf Naxos“ in der Regie von Hans Neuenfels, am Pult geleitet von Ingo Metzmacher, seine Premiere, der bis zum Ende der Spielzeit fünf weitere Aufführungen folgen. Die Schlussakzente setzt Sasha Waltz mit dem Vocalconsort Berlin, dem Freiburger Barockconsort und ihrem Tanzsensemble mit fünf Gastaufführungen von Claudio Monteverdis „Orfeo“.

„Zu den großen Sängerpersönlichkeiten der kommenden Spielzeit gehören“, um eine Pressemitteilung der Staatsoper zu zitieren, „u.a. Anna Netrebko, Plácido Domingo, Rolando Villazón, Waltraud Meier, Edita Gruberova, Deborah Polaski, Anna Prohaska, Peter Seifert, Maria Bengtsson, Dorothea Röschmann, Camilla Nylund, René Pape, Mojca Erdmann, Thomas Hampson, Pavol Breslik, Burkhard Fritz, Michael Volle, Liudmyla Monastyrska, Anja Kampe, Adrianne Pieczonka, Wolfgang Koch, Stephen Milling, Samir Pirgu, Christian Gerhaher, Kwangchul Youn, Falk Struckmann, Richard Croft und Andreas Schager.“

Die Werkstattbühne als feste Größe des Neuen Musiktheaters

Die Werkstattbühne des Schiller-Theaters hat sich inzwischen zu einer festen Größe des Neuen Musiktheaters in Berlin entwickelt. Hier werden vor allem neue, bisher kaum bekannte Werke zur Diskussion gestellt. Die erste Premiere der neuen Spielzeit in der Werkstatt am 27. September mit sechs weiteren Aufführungen möchte ein 1934/38 in der „inneren Emigration“ entstandenes Werk des Münchener Komponisten Karl Amadeus Hartmann zu neuem Leben erwecken: „Des Simplicius Simplicissimus Jugend“ nach Grimmelshausens berühmtem Roman aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Am 7. November schließt sich mit fünf weiteren Aufführungen eine Wiederentdeckung aus Leos Janáceks Schaffen, der Liederzyklus „Tagebuch eines Verschollenen“ an, verbunden mit der Tragédie lyrique „La Voix Humaine“ von Francis Poulenc.

Am 19., 20. und 21. November, 17., 18. und 19. Dezember 2014 vereint Jürgen Flimm unter dem Motto „Wissen Sie, wie man Töne reinigt? Satiesfactionen“ mit Stefan Kurt, Jan Josef Liefers und Klaus Schreiber, am Klavier begleitet von Harry Lyth, Texte und Musik von dem 1925 in Paris verstorbenen Vorläufer der Avantgarde des vergangenen Jahrhunderts Erik Satie. Am 13. Februar 2015 und sechs weiteren Tagen steht der 1946 in New York geborene „querständige“ Komponist Marc Neikrug mit dem 1979/80 entstandenen Musiktheater für Sprecher und acht Instrumente „Through Roses“ auf dem Programm. Abgeschlossen wird die Reihe der Werkstatt-Premieren in der kommenden Spielzeit am 19. April und fünf weiteren Tagen mit der 1940 in der US-amerikanischen Emigration entstandenen Kammeroper „Tarquin“ von Ernst Krenek.

Musiktheatererlebnisse für die junge und jüngste Generation

In großem Umfang widmet sich die Staatsoper im Schiller-Theater der jungen und jüngsten Generation der Opernfreunde. Unter der Schirmherrschaft des Bundestagspräsidenten Prof. Dr. Norbert Lammert besteht seit vier Jahren eine „Musiktheaterakademie für Kinder“. In der kommenden Spielzeit weitergeführt, gibt sie Neun- bis Dreizehnjährigen tiefe Einblicke in die Geschichte und Gegenwart des Musiktheaters und die Arbeitsbedingungen an einem Opernhaus. Näheres über das Programm und die Aufnahmebedingungen ist in der Saison-Broschüre 2014/15 nachzulesen, die auch über die vielfältigen Workshops für ein verständnisvolles Opernerlebnis unterrichtet. Selbstverständlich hält die „Junge Staatsoper“ auch wieder Opernaufführungen und eine Vielzahl von Konzerten für Kinder und Jugendliche bereit. Eine Uraufführung ist am 5. Dezember 2014 mit 14 weiteren Präsentationen bis zum Jahresende in der Werkstatt zu erwarten mit der „Oper für Kinder ab sechs Jahren“ nach dem Märchen der Brüder Grimm „Hans im Glück“. Die Musik schrieb der mit der Staatsoper fest verbundene deutsch-englische Komponist David Robert Coleman, der unlängst bereits mit einer erfolgreichen Uraufführung beim Kammermusikfestival „Intonations“ im Berliner Jüdischen Museum zu erleben war.

Die Spielzeit endet wiederum mit dem Festival für neues Musiktheater „INFEKTION !“. Sein Leitwort lautet diesmal FLUXUX RELOADED. Im Brennpunkt steht Karlheinz Stockhausen mit seinem außergewöhnlichen Musiktheater „Originale“ von 1961. Wie in der Saison-Broschüre zu lesen, will sich das Festival „nicht auf eine historische Rückschau beschränken, sondern zugleich eine Bestandsaufnahme des aus dem Fluxus entstandenen und möglicherweise entstehenden Musiktheaters sein. Performances, neue Konzertformen, Diskussionen, Lesungen, Filme, Happenings und vieles mehr werden in diesen 14 Tagen fast rund um die Uhr die Werkstatt durchfließen.“ Weitere besuchenswerte Erlebnisse versprechen vom 19.Juni bis zum 12. Juli Morton Feldmans Oper nach Samuel Beckett „Neither / Footfalls“ mit Laura Aikin und Julia Wieninger unter der musikalischen Leitung von David Robert Coleman und zwei Wiederholungen der im März dieses Jahres uraufgeführten

Wagner-Paraphrase „Rein Gold“ von Nicolas Stemann und einem Text der Nobel-Preisträgerin Elfriede Jelinek. Coleman leitet zum Abschluß am Dirigentenpult auch die Oper „Matsukaze“ des japanischen Komponisten Toshio Hosokawa in der Regie und Choreographie von Sasha Waltz.

 

 

Wolfgang Hanke

 

In einem weiteren Beitrag ist eine Vorschau auf die Vielzahl der Konzerterlebnisse zu erwarten, die die Staatsoper im Schiller-Theater und die Staatskapelle mit ihren Solisten und Kammerensembles für die kommende Saison an den unterschiedlichsten Veranstaltungsorten vorbereiten.

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