Vorbereitende Pressekonferenz für das 49. Jahr der Potsdamer Musikfestspiele
Die vorbereitende Pressekonferenz für das 49. Jahr der Potsdamer Musikfestspiele fand im Gemeinschaftshaus, „Felleshus“, der Nordischen Botschaften in Berlin statt. Mit gutem Grund: Der gesamte Bereich der nordischen Länder, Skandinavien, ist in diesem Jahre, vom 7. bis 23. Juni, das Thema des Festivals, das erneut, wie schon in den vergangenen Jahren, hohe Anziehungskraft und vielgestaltige Erlebnisse verspricht. Auf dem Programm stehen mehr als 60 Konzerte, Opern, Hausmusiken, Führungen, Land- und Schiffspartien und weitere Veranstaltungen. Tonangebend beteiligt sind daran neben namhaften Kräften aus dem eigenen Land führende Ensembles, Dirigenten, Gesangs- und Instrumentalsolisten aus Schweden, Norwegen und Dänemark.
Für Skandinavien entschied sich die Festspielleitung im Blick auf die vielfältigen Beziehungen, die seit Jahrhunderten zwischen Potsdam und den nordischen Ländern bestehen. Eine jüngere Schwester König Friedrichs II., Luise Ulrike (1720 – 1782), heiratete 1744 den sieben Jahre später zum König von Schweden gekrönten Herzog Adolf Friedrich von Holstein-Gottorf und trug auch noch in ihrem letzten Lebensjahrzehnt unter der Herrschaft ihres Sohnes, Gustav III., wesentlich zur Bereicherung des Musiklebens und der Opernkunst am Stockholmer Königshof und in Schloss Drottningholm bei. Schon mehr als ein Jahrhundert zuvor, 1620, wurden zu den Hochzeitsfeierlichkeiten König Gustavs III. Adolf, der 1732 in einer der verheerenden Schlachten des Dreißigjährigen Krieges gegen Wallenstein bei Lützen nahe Leipzig ums Leben kam, 23 auswärtige, größtenteils brandenburgische Musiker zur Unterstützung der Hofkapelle verpflichtet, wie im Schweden-Artikel der Enzyklopädie „Die Musik in Geschichte und Gegenwart“ zu lesen ist.
In Kopenhagen suchte während des Dreißigjährigen Krieges Heinrich Schütz für einige Jahre als Kapellmeister am Königshof Zuflucht und bereicherte das musikalische Leben nachhaltig. 1787 ging Johann Abraham Peter Schulz, bisher in Rheinsberg Hofkapellmeister von Friedrichs II. jüngerem Bruder Prinz Heinrich von Preußen, in gleicher Eigenschaft in die dänische Metropole und schuf hier mit „Peters Bryllup“ (Peters Hochzeit) die erste Volksoper seines Gastlandes. Das Werk ist bereits zur Eröffnung der Musikfestspiele am 7. und 8. Juni mit dem Vokalensemble, Chor und Orchester „L’Arte del Mondo“ unter Werner Ehrhardt in der Regie von Isabel Ostermann im Schlosstheater des Neuen Palais zu erleben.
Eine weitere reizvolle Wiederentdeckung bringen die letzten Tage der Festspiele vom 19. bis 23. Juni am gleichen Ort in der Regie von Elisabeth Linton unter der musikalischen Leitung von Olof Boman am Cembalo mit einer „schwedischen Entführung in die Unterwelt“, wie im Programmheft vermerkt ist, dem Einakter „Proserpin“ von Joseph Martin Kraus nach einer Skizze von Luise Ulrikes Sohn König Gustav III. von Schweden. An den vorangehenden Tagen, vom 13. bis 17. Juni, sind Opernfans jeden Alters zum Probenbesuch eingeladen. Kraus, 1756, im gleichen Jahr wie Mozart, in Miltenberg am Main geboren, war 1778 auf Empfehlung eines schwedischen Kommilitonen an der Göttinger Universität nach Stockholm übersiedelt, wurde 1781, im Entstehungs-jahr der „Proserpin“, als Kapellmeister an die Hopfoper berufen und konnte in den folgenden Jahren, vom Königshaus gesponsert, umfangreiche Studienreisen nach Deutschland, Italien, Frankreich und England unternehmen, denen sein Schaffen reiche Impulse verdankt, Er starb nur ein Jahr später als Mozart, 1792, an Tuberkulose, hinterließ aber ein reiches, in der Vergangenheit noch längst nicht voll seiner Bedeutung entsprechend gewürdigtes Schaffen.
Enge kulturelle Kontakte über die Ländergrenzen hinweg
Im 19. und 20. Jahrhundert hat es weitere kulturelle Begegnungen und Kontakte zwischen den skandinavischen Ländern und Potsdam mit seinem Umfeld gegeben, an die die Festspiele erinnern werden. In der Friedenskirche am Park von Sanssouci, in der am Abend des 7. Juni das Eröffnungskonzert mit den Trondheimer Solistenen, einem skandinavischen Spitzenorchester, und Werken u.a.von Johan Helmich Roman, Johann Daniel Berlin, Edvard Grieg, Carl Nielsen und dem Gegenwartskomponisten Bent Soerensen zu erleben ist, stehen Schöpfungen des dänischen Bildhauers Bertel Thorvaldsen, als Hauptwerk die Statue „Segnender Christus“ in einer galvanischen Reproduktion des Kopenhagener Originals. Die Werke werden in Führungen erläutert
Auf der Pfaueninsel ließ der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. in den Jahren 1891 bis 1895 in Erinnerung an seine Nordland-Schiffsfahrten die Matrosenstation Kongsnaes, „des Königs Landzunge“, nach einem norwegischen Vorbild errichten. Sie wird gegenwärtig in ihrer ursprünglichen Gestalt wiederhergestellt und ist Ausgangspunkt mehrerer musikalisch bereicherter Schiffsausflüge. Gleichfalls nach einem norwegischen Vorbild wurde auf dem Stahnsdorfer Südwestkirchhof eine Stabholzkirche errichtet. Sie ist am 9. Juni eine der 19 Stationen mit skandinavischer Volks- und Kammermusik im Rahmen des mehr als fünf Stunden umspannenden Fahrradkonzerts in, um und rund um Potsdam „Nordic Biking“. Nicht vergessen werden darf auch, dass in den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts skandinavische Film-Diven wie Asta Nielsen, Greta Garbo und Zarah Leander maßgeblich zum Gründungsmythos der Babelsberger Filmindustrie beigetragen haben.
Viele weitere Ereignisse wären noch aus dem umfangreichen Programm zu nennen, das die langjährige Geschäftsführerin und Künstlerische Leiterin der Festspiele, Dr. Andrea Palent, und der im vergangenen Jahr neu gewonnene Dramaturg und Künstlerische Koordinator Dr. Jelle Dierickx ideenreich und verantwortungsvoll zusammengestellt haben. Tausende von Besuchern werden die Open-Air-Musiken „Nordlicht über Sanssouci“ mit Feuerwerk auf den Terrassen der Orangerie am 8. Juni, „Folk in the Garden“ am 15. Juni im Neuen Garten, die „Trollenacht“ am 21. Juni und die „Scandinavian Last Night“ zum Abschluss am 23. Juni im Ehrenhof von Schloss Sanssouci anziehen. Einen besonderen Höhepunkt verspricht aber auch der von Violine und Klavier begleitete Abend der großen schwedischen Sopranistin Anne Sofie van Otter im Nikolaisaal mit nordischen Weisen von Grieg, Lindblad, Nielsen u.a.
Bewegende Eindrücke zu erwarten sind aber auch in einer Reihe von Chor-, Orchester- und Kammerkonzerten mit namhaften Interpreten aus allen beteiligten Ländern und Werken aus Renaissance, Barock, Rokoko, Klassik, Romantik und dem 20. Jahrhundert. An sieben Abenden laden Potsdamer Familien in ihre Wohnungen zu Hausmusiken ein. Einen zentralen Platz im Gesamtprogramm nimmt die nordische Folklore ein. Aber auch die jüngste Generation der Hörer und Zuschauer kommt voll auf ihre Kosten. In der Pflanzenhalle der Orangerie wird mit der Oper für Babies: Korall Koral sogar einkleines Stück Musiktheater für Kinder unter 3 Jahren vorbereitet.
Im Montagsclub am 10. Juni kommt Willy Brandt, der von 1933 bis 1945 im Exil in Norwegen und Schweden lebte, anlässlich seines 100. Geburtstages zu Wort. Der vorletzte Tag der Festspiele führt auf den Spuren der Nobelpreisträger Albert Einstein, Niels Bohr und anderer Geistesriesen in den Potsdamer Wissenschaftspark und auf den Telegrafenberg. Hervorgehoben zu werden verdienen aber auch die Exkursionen zum Gedenken an den Dreißigjährigen Krieg, die auf den letzten Spuren des Schwedenkönigs Gustav Adolf nach Weißenfels, Meuchen und Lützen und auf das „Schlachtfeld Brandenburg“ um Rathenow, Fehrbellin und Wittstock führen.-
Wolfgang Hanke