Robin Ticciati mit dem Deutschen Symphonie-Orchester auf neuen Wegen

Mozarts drei letzte Sinfonien auf Darmsaiten und Instrumenten ohne Ventil

Es war ein Erlebnis der besonderen Art. Ein Abend, der nachklingt. Das Deutsche Symphonie-Orchester bot unter seinem Chefdirigenten und künstlerischen Leiter, Robin Ticciati,  die drei letzten Sinfonien, die Wolfgang Amadeus Mozart in einer ökonomischen Krise im Sommer 1788, in der unglaublichen Zeit von nur neun Wochen, komponiert hatte. Der dynamische Dirigent, unlängst für seine musikalischen Verdienste zum „Officer of the Order of British Empire“ gekürt, verabschiedete sich mit einer verkleinerten Orchesterbesetzung von zehn Ersten, acht Zweiten Violinen, je sechs Bratschen und Violoncelli sowie 5 Kontrabässen von festgefügten Aufführungstraditionen der meisten Konzertorchester. Und er ließ, um einen warmen, facettenreichen Klang zu erlangen, die Streicher auf Darmsaiten und die Bläser auf schlanker klingenden Naturhörnern und Naturtrompeten spielen. Für die Ensembles Alter Musik gängige Praxis. Für das DSO  Berlin ein nicht zu unterschätzender Wagemut und eine Herausforderung.

Bemühen um ein erweitertes Klangspektrum, Musik neu entdecken

Von Anbeginn seiner Spielzeit vor zwei Jahren war es Robin Ticciati ein großes Anliegen, das Klangspektrum seines neuen Orchesters zu erweitern, den Musikern ein neues musikalisches Gefühl zu vermitteln und dadurch den jeweiligen Stücken neues Leben einzuhauchen. Das bedeutete gleichzeitig: Musik neu zu entdecken. Bereits vor einem Jahre bewies er das mit Händels „Messiah“. „Wir konnten uns als ein flexibles, wandlungsfähiges Orchester präsentieren, wie ein Chamäleon, und haben uns in ein der Musik angemessenes anderes Klanggewand gehüllt…. Das Spiel auf Darmsaiten gibt dem Klangbild insgesamt klarere Konturen“. Außerdem beeinflusse es die Bewegungsabläufe bei den Streichern. Auch die Art der Bogentechnik ändere sich bei deren Verwendung. „Ganz kurze Töne werden auf ihnen meist eine kleine Idee länger gespielt als auf Metallsaiten“, so Robin Ticiatti.

Musizierfreudigkeit und Leidenschaft

Nicht nur, dass die drei letzten Sinfonien Mozarts, Nr. 39, 40, 41 mit der „Zauberflöten “Tonart Es-Dur, dem tragisch anmutigen g-Moll (in der Klarinettenfassung) und dem strahlenden  C-Dur, „Jupiter“, als Einheit in historischem Gewand geboten wurden, verlieh den Aufführungen des DSO in der Berliner Philharmonie das besondere Flair. Es war die Musizierfreude, die vom Orchester und seinem Dirigenten ohne Pult ausging und die sich ungewollt mitteilte. Es war die Leidenschaft, die unwahrscheinlich frische Unmittelbarkeit. Man muss Robin Ticciati beim Dirigieren erleben. Faszinierend seine Bewegungen. Sie formen Musik. Alles ist stimmig: Der jugendliche Elan, die Gestik. Sie sind im Einklang mit den Tönen und ihrer Interpretation. Es entsteht das Gefühl, die Musik durchfließe ihn und beflügle die Musiker, die dann ihr Letztes geben.

Mit der als Ganzes gesehenen Aufführung der drei Final Sinfonien Mozarts, die einer der Pioniere der historischen Aufführungspraxis, Nikolaus Harnoncourt, als „instrumentales Oratorium“ bezeichnete, kam die Rolle der Musik, das was man nicht in Worte fassen kann durch Töne zu fühlen, zum Tragen: Neues entdecken, aufrütteln, sensibilisieren, Schmerz und Trauer zulassen und freudig das Kommende erwarten.

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