Junge Künstler aus aller Welt beim 2. Felix Mendelssohn Bartholdy Musikwettbewerb in Berlin

Hoffnungsvoller Nachwuchs

Rundfunk und Fernsehen ließen vergeblich auf aktuelle Berichte über den Felix Mendelssohn Bartholdy Hochschulwettbewerb warten. Er fand in diesem Jahre zum zweiten Male in Räumlichkeiten der Berliner Universität der Künste (UdK) statt. Wie schon im ersten Jahrgang seiner Neukonzeption 2013 zählt er nicht nur im Berliner Musikleben zu den herausragenden Ereignissen.

Getragen von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen und der UdK, vereinte dieser derzeit wichtigste Nachwuchs-Musikwettbewerb in Deutschland unter der Schirmherrschaft von Prof. Dr. h.c. Kurt Masur vom 15. bis zum 19. Januar in den Fächern Gesang, Kontrabass, Ensemble Neue Musik und Komposition unter Einschluss der Klavierbegleiterinnen und –begleiter mehr als 230 Teilnehmer aus nahezu aller Welt, die gegenwärtig an einer der 24 Musikhochschulen in Deutschland studieren. Sie boten ein umfangreiches Programm, das neben Werken des 18. und 19. Jahrhunderts mit dem Namensgeber des Wettbewerbs als Brennpunkt auch dem neueren Schaffen bis zu Uraufführungen aus jüngster Zeit breiten Raum öffnete. Für die Verleihung der jeweils drei Preise in den vier Fächern standen insgesamt 60 000 Euro zur Verfügung. Sie wurden ergänzt durch Sonderpreise für Klavierbegleiter in den Fächern Gesang und Kontrabass und einen Preis der Freunde Junger Musiker Deutschlands, die überdies für eine CD-Produktion und Anschlusskonzerte mit den Preisträgern sorgten.

Ein Wettbewerb mit langer Geschichte

Der Neukonzeption des Wettbewerbs im vergangenen Jahr ging eine lange Geschichte voraus. Sie reicht bis 1878 zurück, als die Erben von Felix Mendelssohn Bartholdy seinen künstlerischen Nachlass dem Preußischen Fiskus zur Verwahrung und Nutzung in der Königlichen Bibliothek, der heutigen Berliner Staatsbibliothek, übergaben. Preußen revanchierte sich seit 1879 mit der alljährlichen Vergabe von Stipendien an hochbefähigte junge Musiker. Zwei Jahrzehnte später ergänzte die Mendelssohn-Familie das Stiftungskapital nochmals um 30 000 Mark. Aus den jährlichen Zinsen konnten daher weitere Stipendien und Preisgelder bestritten werden. Unter dem NS-Regime wurde der Name Mendelssohn getilgt und der Betrag in ein Preußisches Staatsstipendium für Musiker umgewandelt, wie aus der Feder von Prof. Dr. Wolfgang Dinglinger in der zum diesjährigen Wettbewerb erschienenen umfangreichen Programmbroschüre zu lesen ist. Seit 1963 richtete die Stiftung Preußischer Kulturbesitz den Mendelssohn-Preis wieder aus. Seitdem einmal jährlich an besonders begabte Studierende der Musikhochschulen in Deutschland vergeben, wurde er im vergangenen Jahr zusammengelegt mit einem durch die deutschen Musikhochschulen wandernden Hochschulwettbewerb, der letztmalig 2012 zum 60. Male stattfand.

Den größten Umfang unter den vier Kategorien des diesjährigen Wettbewerbs nahm mit zwei Runden das Fach Gesang ein, für das sich 38 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 13 Ländern Europas, Asiens, Lateinamerikas und Australien meldeten. Sie hatten es in dem räumlich und akustisch beschränkten Kammermusiksaal der UdK in der Fasanenstraße nicht leicht, ihre unterschiedlichen Fähigkeiten zu präsentieren, wurden aber von den Mitgliedern der Jury unter der wunderbar einfühlsamen, aber auch temperamentvollen Leitung der auch in Deutschland in den letzten Jahrzehnten hoch gefeierten amerikanischen Kammersängerin Prof. Dr. Helen Donath verständnisvoll und inspirierend über alle Klippen hinweggeführt. Den ersten Preis erhielt der junge Bariton Dennis Lionel Sörös von der Staatlichen Hochschule für Musik Karlsruhe, der allerdings in den Wettbewerbsrunden mehr überzeugte als im Abschlusskonzert mit einer Arie des Grafen Almaviva aus Mozarts »Hochzeit des Figaro«. Sein Partner in der 1. und 2. Runde, Hélio Leonardo Moreira Vida, errang den Sonderpreis Klavierbegleitung im Fach Gesang. Die 2. und die 3. Preisträgerin, die Südkoreanerin Sumi Hwang von der Hochschule für Theater und Musik München und die serbische Sopranistin Sonja Saric von der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Mannheim, konnten sich im Abschlusskonzert, von der Jungen Deutschen Philharmonie unter Steven Sloane eindrucksvoll begleitet, mit Arien aus Opern von Gaetano Donizetti und Giuseppe Verdi gegenüber den vorausgegangenen Ausscheiden sogar noch beträchtlich profilieren. Seinen Höhepunkt erlebte der festliche Abend mit Mendelssohns Italienischer Sinfonie. In ihren vier separat dargebotenen Sätzen bewährten sich nicht nur die jungen Musiker hervorragend. Auch der amerikanische Dirigent Steven Sloane, vor einigen Monaten als Professor an die UdK berufen, ließ überragende Qualitäten spüren.

Die beiden Wertungsspiele im Fach Kontrabass mit 22 Teilnehmern aus Deutschland, den Niederlanden, Polen, Rumänien, Kanada, Brasilien, Venezuela, China, Südkorea und Japan konnte ich leider nicht selbst erleben, da sie zeitgleich mit den Gesangsrunden an einem anderen Ort stattfanden. In den abschließenden Konzerten war nur der 1. Preisträger, Michael Karg von der Hochschule für Musik Nürnberg, zu hören, der überdies zwei Sonderpreise, u.a. für die beste Interpretation des Auftragswerkes im Fach Komposition, Jan Müller-Wielands »Traumstück« für Kontrabass solo, gewonnen hatte. Er spielte das Werk an zwei Abenden und darüber hinaus, von der Jungen Deutschen Philharmonie begleitet, eins der Konzerte des von 1840 bis zu seinem Tod 1889 in vielen Ländern tätigen italienischen Kontrabassvirtuosen, Kapellmeisters und Opernkomponisten Giovanni Bottesini. Die wie in den drei anderen Fächern sieben Mitglieder zählende Jury wurde von einem prominenten Mitglied der Berliner Philharmoniker, Peter Riegelbauer, geleitet.

Neue Musik im Blickpunkt

Besonderes Interesse verdient, dass die Musik der Gegenwart einen festen Platz im Programm des Wettbewerbs erhielt, wenn sie auch gelegentlich Meinungsstreit auslöste. Das erste der abschließenden Konzerte brachte Uraufführungen von drei in den 80er Jahren geborenen Komponisten, die von einer aus renommierten Komponisten und Musikwissenschaftlern bestehenden Jury unter dem Vorsitz von Jan Müller-Wieland mit Preisen ausgezeichnet wurden. Sehr ernst zu nehmen war vor allem der Südkoreaner Eunsung Kim, der – seit 2012 an der Franz-Liszt-Hochschule in Weimar – mit seinem Klaviertrio »mobile Elemente« an musikalische Traditionen seines Heimatlandes anknüpft, sich aber auch mit neuen Errungenschaften europäischer Musik vertraut zeigt. Die Werke des 2. und 3. Preisträgers müsste man mehrmals hören, um sie kompetent beurteilen zu können. Es handelte sich um den aus Santiago de Chile stammenden Francisco Concha Goldschmidt, der seit 2011 an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln studiert, und den bereits mehrfach mit internationalen Preisen ausgezeichneten Spanier Josep Planells Schiaffino.

Eine ganze Sparte, die gleichfalls zwei Runden einnahm, galt der Interpretation Neuer Musik An ihr nahmen zehn unterschiedlich besetzte Ensembles aus den Hochschulen in Köln, Essen, München, Frankfurt am Main, Berlin, Rostock und Dresden teil. Die Jury leitete die griechische Dirigentin und Komponistin Prof. Konstantia Gourzi. Sie gilt als eine der wichtigsten Mentorinnen zeitgenössischer Musik. Den erfolgreichsten Teilnehmern wurde ein eigenes Preisträgerkonzert gewidmet. Zu erleben war an diesem Abend als 1. Preisträger das Fukio-Ensemble von der Hochschule für Musik und Tanz in Köln mit dem 1997 entstandenen, sehr einprägsamen Quintett »Crosswind« für Viola und vier Saxophone von dem 1945 in Athen geborenen Georges Aperghis. Als 2. Preisträger präsentierte das trio sostenuto von der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden mit Klarinette, Violoncello und Klavier zwei eigens für diesen Anlass entstandene Kompositionen von Lorenz Grau (* 1986) und dem vier Jahre jüngeren Adrian Nagel. Das mit dem 3. Preis ausgezeichnete IEMA-Ensemble 2013/14 der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Mai griff mit seinen neun Mitgliedern auf ein 1984 entstandenes Werk für freie Besetzung, »Cobra« von John Zorn (* 1953), zurück. Sehr überzeugend in das Programm eingeschlossen war neben Dennis Lionel Sörös mit einem Gesang von Henri Duparc der Bariton Ludwig Mittelhammer von der Münchener Hochschule für Musik und Theater, der, von dem hervorragenden amerikanischen Pianisten Jonathan Ware am Flügel begleitet, einen Sonderpreis für die beste Interpretation eines der Goethe-Lieder von Wolfgang Rihm erhalten hatte.

 

Wolfgang Hanke

 

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