Cottbus bietet in der neuen Spielzeit ein umfangreiches und vielgestaltiges Programm

Das Theater als Ermutigung, Anregung und Lebenshilfe.

Fast erschien es wie ein Negativ-Symbol: Erstmals in seiner zwölfjährigen Geschichte musste am letzten August-Sonntag das wie schon in den vergangenen Jahren von Tausenden erwartete Theaterfest im Branitzer Pückler-Park mit der Vorschau auf die neue Spielzeit des Cottbuser Staatstheaters wegen des heftigen Regens und der wenig einladenden Kälte kurzfristig abgesagt werden. Erfreulicherweise gestattete es die überraschende Wetterwende, das immer wieder begeisternde Event um nur sechs Tage zu verschieben und nochmals einen wunderbaren Spätsommernachmittag mit einer Fülle von Musik, Theater und Tanz zu genießen.

Über die Gestaltung des Programms in den ersten Nachmittagsstunden ließe sich streiten. Die Besucher sollten, wenn sie sich dazu bereit und fähig fühlten, zunächst erraten, was an den nicht weniger als vierzehn Stationen rund um das Pückler-Schloß und im weitläufig angrenzenden Parkareal an Ausschnitten aus dem ebenso umfangreichen wie vielgestaltigen Programm der neuen Spielzeit dargeboten wurde. Wer die richtige Wahl getroffen hatte, konnte einen der fünf Preise erringen, die vor dem Finale des Abschlusskonzerts verlost und bekanntgegeben wurden. Mir wäre es lieber gewesen, vor dem Beginn des Festprogramms exakt zu wissen, was, wann, wo und von welchem Schauspieler-, Tänzer-, Sänger- und Musikerensemble zu erwarten war. Das um so mehr, als es bei der Vielzahl der Darbietungen völlig unmöglich war, innerhalb von weniger als zwei Stunden  alles Interessante und Lohnende in angemessener Zeitdauer wahrzunehmen.

„Gräfin Mariza“ löste den wohl größten Beifall aus

Gefesselt haben uns in den ersten Nachmittagsstunden vor allem Ausschnitte aus Georg Friedrich Händels Oper „Alcina“, die im März des kommenden Jahres in der Regie von Sam Brower unter dem neu verpflichteten Dirigenten Ivo Hentschel ihre Premiere erleben soll. Den wohl größten Beifall löste unter dem gleichen Dirigenten das Eröffnungsstück vor dem Hauptportal des Pückler-Schlosses aus: ein zweifellos hinreißender Ausschnitt aus Emmerich Kálmáns  „Gräfin Mariza“, mit der das Staatstheater ab Ende Oktober in der Regie von Steffen Piontek  die erfolgreiche Reihe seiner Operetten-Inszenierungen fortführen möchte. Sehr lohnend und anregend war es aber auch, an mehreren Orten Kammermusikensembles aus dem Kreis der Musiker des Philharmonischen Orchesters zu erleben. Bei ihnen hätte man Stunden verweilen mögen. Doch leider reichte die Zeit dazu nicht entfernt.

Das abschließende Große Konzert auf der Terrasse des Pückler-Schlosses mit dem Philharmonischen Orchester, dem Opernchor, dem Ballettensemble und Solisten des Musiktheaters ließ bewusst werden, welchen überragenden Rang die Musik in der Arbeit des Cottbuser Staatstheaters einnimmt. Die neue Spielzeit wird das nachdrücklich bestätigen. Sie lässt als weitere Höhepunkte auf der Opernbühne während der letzten Wochen der Spielzeit in der Regie von Intendant Martin Schüler unter Generalmusikdirektor Evan Christ am Dirigentenpult Giacomo Puccinis „Turandot“ und Richard Strauss´ „Elektra“ erwarten. Aus dem Repertoire bleiben Werner Egks Oper „Peer Gynt“, Giuseppe Verdis „La Traviata“, Georges Bizets „Carmen“, „Hoffmanns Erzählungen“ von Jacques Offenbach sowie die Operetten „Madame Pompadour“ von Leo Fall und „Wie einst im Mai“ von Willi Kollo und Walter Lieck präsent. Mit einigen der genannten Werke gastiert das Cottbuser Staatstheater innerhalb des Theaterverbundes im Land Brandenburg im Kleist-Forum Frankfurt (Oder), am Potsdamer Hans-Otto-Theater und in Brandenburg an der Havel.

Herausragende Akzente setzt auch das Tanztheaterensemble. Bereits unmittelbar nach der Spielzeiteröffnung gelang auf der Kammerbühne ein packender Wurf mit der Uraufführung eines Tanzstücks von Undine Werchau über die geniale, politisch bewusste, gesundheitlich jedoch schwer heimgesuchte mexikanische Malerin Frida Kahlo. Für den Mai des kommenden Jahres wird eine weitere  Uraufführung angekündigt: „Schwanenseele“, ein Tanzstück von Gundula Peuthert mit Musik aus Peter Tschaikowskis Ballett „Schwanensee“.

Vier Uraufführungen neuer Musikwerke

Sehr reich bestückt ist das Konzertprogramm. In den acht Philharmonischen Konzerten, die jeweils an zwei Abenden im Großen Haus des Staatstheaters dargeboten werden, stehen diesmal Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart, Frederic Chopin, Peter Tschaikowski, Alexander Glasunow, Carl Nielsen, Richard Strauss und Witold Lutoslawski mit zum Teil selten zu hörenden Werken auf dem Programm. Der dritte Abend im Dezember mit einem der Violinkonzerte von Éduard Lalo und Pietro Mascagnis „Cavalleria rusticana“ trägt den Titel „Pasiones Mediterraneas“. In jedem Konzert bringt das Philharmonische Orchester – wie schon in der vergangenen Spielzeit – ein Auftragswerk zur Uraufführung. Als Komponisten konnten diesmal Steffen Schleiermacher, Vassos Nicoláou, Günter Steinke und Bernd Franke gewonnen werden, die sich in der Programmbroschüre über ihre Werke geäußert haben. Unter den zahlreichen Sonderkonzerten, an denen sich auch die Cottbuser Singakademie beteiligt, seien vor allem zwei herausragende Ereignisse genannt:

Das Eröffnungskonzert des Festivals Musica Mallorca, zu dem das Philharmonische Orchester unter seinem Chefdirigenten Evan Christ in das Teatre Principal de Palma eingeladen wurde (sein Programm war inzwischen

auch an der Spree zu erleben) und das Gedenkkonzert zum 70. Jahrestag des verheerenden Bombenangriffs auf Cottbus am 15. Februar 1945 mit John Rutters Requiem und Rudolf Mauersbergers Trauermotette „Wie liegt die Stadt so wüst“. Die beiden tief bewegenden Werke werden dargeboten vom Philharmonischen Chor des Staatstheaters, dem Sinfonischen Chor und Kammerchor der Singakademie und der Sopranistin Debra Stanley unter Christian Möbius.

„Deutschland – Wunder und Wunden“ als thematischer Schwerpunkt

Das Schauspiel des Cottbuser Staatstheaters greift in der neuen Spielzeit, wie die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Prof. Dr.-Ing. Dr. Sabine Kunst , in ihrem Grußwort in der Saison-Broschüre betont, „historische Zäsuren in der deutschen wie europäischen und internationalen Zeitgeschichte… in besonderer Weise auf“. Sie verweist vor allem auf den thematischen Schwerpunkt „Deutschland – Wunder und Wunden“ und hebt die Inszenierungen hervor, die „die Lebensgefühle und gesellschaftlichen Strukturen in Deutschland im Verlauf des 20. Jahrhunderts widerspiegeln“. Neben Gerhart Hauptmanns „Ratten“ und Heiner Müllers „Wolokolamsker Chaussee“, denen sie besondere Bedeutung beimisst, wären auch das Theaterstück mit Live-Musik „Sonnenallee“ nach dem gleichnamigen Film von Leander Haussmann und Thomas Brussig (Premiere am 31. Januar 2015 vorgesehen) und die unter dem Arbeitstitel „Das Cottbus-Projekt“ angekündigte Uraufführung von Harald Fuhrmann und Christiane Wiegand – auf der Kammerbühne vom 18. April bis zum 5. Mai des kommenden Jahres – zu  nennen. Alle diese und weitere Aufführungen sollen den Besuchern „auch in der Gegenwart…Ermutigung, Anregung und Lebenshilfe“ geben, wie der bisherige Cottbuser Oberbürgermeister Frank Szymanski  in seinem Grußwort zur Spielzeit-Vorschau unter ausdrücklicher Erinnerung an die nachhaltigen Wirkungen des Theaters der Spreestadt in der Zeit des Umbruchs am Ende der 80er Jahre betonte.

Zu den wichtigsten Verpflichtungen zählt nach wie vor das Kinder- und Jugendprogramm

Eine seiner nach wie vor wichtigsten Verpflichtungen sieht das Cottbuser Theater in einem reichen und vielgestaltigen Programm für seine jungen und jüngsten Besucher. In jedem Monat stehen Kinder- und Jugendvorstellungen auf dem Programm. Theaterpädagogische und musikalische Workshops, Führungen, Probenbesuche und viele weitere Angebote sollen das Erlebte bereichern und vertiefen. Besonders hervorgehoben seien zwei neue Kinderopern: „Sechse kommen durch die Welt“ nach einem Märchen der Brüder Grimm von Wolfgang Hocke und „Papagenos Zauberflöte“ von Michael Böhnisch mit Musik von Mozart für Kinder ab sechs Jahren. Weiterhin auf dem Spielplan stehen daneben einige Aufführungen aus dem Repertoire, u.a. „Das Geheimnis der Wolfsschlucht“  von Eberhard Streul nach Carl Maria von Webers „Freischütz“ und ein Stück von Peter Lund, „Hexe Hillary geht in die Oper“, das bereits Kinder im Alter von fünf Jahren zu erfreuen vermag. Die Saison-Broschüre 2014/15 enthält auf mehr als 200 Seiten noch viele weitere Hinweise und Anregungen, nicht nur für das Kinder- und Jugendprogramm, und sollte deshalb unbedingt umfassend studiert und zur Kenntnis genommen werden.-

 

Wolfgang Hanke

 

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