Friedrich der Große und Graf Brühl – Geschichte einer Feindschaft

Drei Ausstellungen im Marstall des Pückler-Schlosses Branitz, in der einstigen Brühl-Residenz Pförten/Brody und der Forster Stadtkirche geben umfangreiche Aufschlüsse

von Maria-Brigitte und Wolfgang Hanke

1730 hatte Kronprinz Friedrich dem elf Jahre älteren Heinrich von Brühl noch überschwänglich applaudiert, als ihm der „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. für das aufwändige Arrangement des „Zeithainer Lagers“ Preußens höchste Auszeichnung, den Schwarzen Adler-Orden, verlieh. Gut ein Jahrzehnt später, nachdem er selbst in der Nachfolge seines verstorbenen Vaters zum preußischen König gekrönt worden war, stand er ihm in erbitterter Feindschaft gegenüber. Den Konflikt ausgelöst hatten seine Bestrebungen, Schlesien zu erobern und möglichst auch Einfluss auf Sachsen zu gewinnen. Er verschärfte sich vollends seit 1756 im Siebenjährigen Krieg, dem 1740/42 und 1745 bereits erste „Schlesische“ Kriege zwischen Preußen, Sachsen und Österreich vorausgegangen waren.

1746 zum sächsischen Premierminister ernannt, spielte Graf Brühl in diesen Auseinandersetzungen eine tonangebende Rolle, so dass sich der Preußenkönig von ihm persönlich angegriffen fühlte und seine bisweilen in der Tat zwielichtigen diplomatischen Schritte teils fürchtete, teils verachtete. Er versäumte denn auch nicht, den Grafen in seinen Schriften und gelegentlich auch in aller Öffentlichkeit vernichtend anzuprangern. Ein nicht geringer Teil der Vorwürfe, die er gegen Brühl richtete, mag gerechtfertigt gewesen sein. Weit über das Ziel hinaus schoss Friedrich II. jedoch, als er während des Siebenjährigen Krieges, angeblich zur Vergeltung, in beispiellosem Vandalismus Brühls umfangreiche sächsische Besitzungen ausplündern und brandschatzen ließ.

Ein weiteres erinnernswertes Gedenkjahr steht bevor

Im Blick auf das bevorstehende Gedenkjahr zum 250. Todestag des Grafen Brühl zeigt der Europäische Parkverbund Lausitz bis zum 31.Oktober dieses Jahres, klug und einfühlsam kuratiert von Dr. Simone Neuhäuser, eine dreiteilige Ausstellung, die die Licht- und Schattenseiten seines Lebens und Wirkens und seine ausgedehnten Konflikte mit dem Preußenkönig beleuchtet. Im Marstall des Fürst-Pückler-Schlosses Branitz vor den Toren von Cottbus werden die beiden Gegenspieler und ihre Auseinandersetzungen mit einer Vielzahl von Bild- und Schriftdokumenten, darunter auch so manchen Kostbarkeiten, etwa aus dem für Brühl in der Meißener Porzellanmanufaktur geschaffenen „Schwanen-Service“, vorgestellt. Dabei ist auch von den Problemen die Rede, mit denen sie sich in ihrer Jugend auseinandersetzen mussten und die zweifellos viel zu ihrer widerspruchsvollen Persönlichkeitsentwicklung beigetragen haben. Interessantes ist u.a. zu erfahren von der wechselseitigen Spionagetätigkeit zwischen den Regierungssitzen in Potsdam, Dresden und Warschau, aber auch von dem überraschenden Ende der Konflikte und der Annäherung der folgenden Generationen nach dem Tod der beiden Widersacher. Ein Sohn des Grafen, Carl Adolf von Brühl (1742 – 1802), wurde noch im Todesjahr König Friedrichs, 1786, von seinem Neffen und Thronfolger Friedrich Wilhelm II. zum Erzieher des preußischen Kronprinzen, des späteren Königs Friedrich Wilhelm III., berufen und avancierte schließlich zum Königlich preußischen General der Kavallerie. Ein weiterer Nachfahre, Carl Friedrich Moritz von Brühl (1772 – 1837), wurde Königlich preußischer Wirklicher Geheimer Rat und Generalintendant der Königlichen Schauspiele und Museen. Er bot Carl Maria von Weber 1821 die Möglichkeit, seinen „Freischütz“ in Berlin zur Uraufführung zu bringen.

Absteige- und Erholungsquartier für die strapaziösen Warschau-Reisen

Der zweite Teil des Ausstellungsverbunds führt zehn Kilometer östlich der Neiße, in der kleinen polnischen Gemeinde Brody, dem einstigen Pförten, als Wanderausstellung mit – wie schon in Branitz und auch in Forst – zweisprachigen Bild- und Texttafeln durch das Schloss- und Parkgelände der Residenz des einst umfangreichsten von Brühls Besitztümern, der Standesherrschaft Forst-Pförten, die der Graf 1740 und 1746 erworben hatte. Das Pförtener Schloss, das er von dem Dresdner Oberlandesbaumeister Johann Christoph Knöffel mit den beiden vorgelagerten Kavalierhäusern großzügig umgestalten und erweitern ließ, diente dem sächsischen Kurfürsten und polnischen König Friedrich August II. bzw. August III. und seiner umfangreichen Begleitung als Absteige- und Erholungsquartier auf den jeweils mehrtägigen und strapaziösen Reisen zwischen den Residenzen Dresden und Warschau. Der Preußenkönig ließ es während des Siebenjährigen Krieges 1758 aus unüberwindlichem Hass auf den Grafen Brühl mit beispiellosem Vandalismus ausrauben und zerstören. Seit 1945 ist es erneut Brandruine. Lediglich das Dach wurde gedeckt. Die Kavalierhäuser konnten wiederhergestellt werden und laden zu einem Teil als Hotel und Gaststätte zum Besuch ein. Die einstige Schlosskapelle im nördlichen Gebäude dient als Veranstaltungssaal. Viel wurde seit 2009, wesentlich von Claudius Wecke und Sven Zuber initiiert, in erfolgreich durchgeführten deutsch-polnischen Parkseminaren geleistet, die nach dem Ende des zweiten Weltkrieges mehr und mehr verwahrlosten Parkanlagen mit dem Pförtener See wieder zu dem werden zu lassen, was sie einst waren: ein Anziehungspunkt von tief berührender Schönheit.

Wiederentdeckte Kostbarkeit des Musiktheaters

Im Anschluss an die Ausstellungseröffnung wurde vor der Schlossruine von den hinreißenden Solisten Jana Reiner und Michael Raspe im Zusammenwirken mit dem Ensemble Baroque der Berliner Universität der Künste, musikalisch geleitet von Irmgard Huntgeburth, ein köstliches Opern-Intermezzo von Johann Friedrich Agricola, einem Schüler Johann Sebastian Bachs, dargeboten, das 1750 im Potsdamer Schloss uraufgeführt worden war: „Il filosofo convinto in amore“ („Der von Liebe überzeugte Philosoph“). Es soll schon den Preußenkönig begeistert und ihn veranlasst haben, den Schöpfer des Werkes zum Hofkomponisten zu ernennen. Es heisst, dass es damals mehr als sechzigmal zu erleben war. Heike Hanefeld hatte das Werk wiederentdeckt und die italienischen Texte der Rezitative in deutscher Sprache mit vieldeutigen aktuellen Zeitbezügen neu gefasst. Die reizvollen Arien und Duette blieben in der Originalsprache erhalten, was der von ihr mit bescheidenen Mitteln, aber dennoch geist- und einfallsreich, mit viel Witz inszenierten Aufführung zusätzliche Anziehungskraft verlieh. Eine interessante Bereicherung war es, dass als Ouvertüre und Zwischenaktsmusiken vier Sätze aus zwei Sinfonien von Friedrich dem Großen eingefügt wurden. Sie schufen einen sehr hörenswerten Kontrast. Einen Tag zuvor war das Werk bereits in der Schlossgärtnerei des Branitzer Parks zu erleben. Zwei weitere Aufführungen folgten auf der Schiller-Bühne des Forster Rosengartens und in der Orangerie des Fürst-Pückler-Parks in Bad Muskau.

An der letzten Ruhestätte des Grafen Brühl

Die abschließende Station des Ausstellungsverbunds war die Grabstätte des Grafen Brühl in der Stadtkirche von Forst (Lausitz). Der jahrzehntelang allmächtige sächsische Staatsminister hatte gehofft, in Pförten seine letzte Ruhestätte zu finden. Er war aber nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges und dem Tod des sächsischen Kurfürsten und Königs von Polen in Dresden in Ungnade gefallen, und so blieben seine Wünsche bei dem Transport seines Sarges aus der Elbestadt in seine Standesherrschaft unberücksichtigt. Forst hatte dem Grafen allerdings viel zu danken und war daher bereit, den in seinem 64. Lebensjahr, am 28.Oktober des Friedensjahres 1763, Verstorbenen bei sich aufzunehmen. Zwei Jahre nach seiner Übernahme der Herrschaft Forst-Pförten war die Neißestadt fast vollständig einem Großbrand zum Opfer gefallen. Von der Kirche blieben nur die Grüfte der früheren Stadtherren erhalten. Maßgeblich mitgetragen von seinem Intendanten Carl Heinrich von Heineken, den gegenwärtig auch eine Ausstellung in seinem einstigen Schloss Altdöbern würdigt, sorgte Brühl für einen planvollen Wiederaufbau der Stadt und ihrer Kirche durch Johann Christoph Knöffel und sein Team. Der Graf hat auch den entscheidenden Anstoß gegeben für den nachdrücklichen wirtschaftlichen Aufstieg Forsts als Textilmetropole, als „deutsches Manchester“. Dafür ist ihm die Stadt bis heute dankbar und sorgt für eine würdige Instandsetzung seiner letzten Ruhestätte in der Gruft der Kirche. Die ihm gewidmete neue Ausstellung hält seine Verdienste fest und gibt weitere Aufschlüsse über sein Leben und Wirken. Zusätzlich bereichert wird sie durch einen deutsch-polnischen Kurzfilm von Donald Saischowa, der täglich in der Ausstellung zu sehen ist. Er regt die zahlreich erscheinenden Besucher an, sich noch intensiver mit dem Grafen Brühl und der Geschichte und Gegenwart „seiner“ Stadt Forst (Lausitz) zu beschäftigen.

Zu den drei Ausstellungen erschien, von der Kuratorin Dr. Simone Neuhäuser konzipiert und redigiert, ein reich illustrierter Begleitband, der ihren Besuch umfassend nachvollziehen lässt und eine noch tiefer dringende Beschäftigung mit den Geschehnissen vor 250 bis 300 Jahren und ihren Hintergründen ermöglicht.-

 

Maria Brigitte und Wolfgang Hanke

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