Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach in einer packenden Neuinszenierung am Staatstheater Cottbus

Geniales Meisterwerk – begeistert gefeiert

Kaum einer der nicht wenigen Komponisten des heiteren Musiktheaters aus dem 19. Jahrhundert hat während der letzten Jahrzehnte in Cottbus einen so umfangreichen, dankbaren, ja begeisterten Widerhall gefunden wie Jacques Offenbach. Für die ersten zwölf Jahre seines Bestehens verzeichnet die 2008 zur Hundertjahrfeier des Theaters am Schillerplatz erschienene Festschrift seltsamerweise noch keine Inszenierung der mehr als hundert zu einem guten Teil längst weltweit umjubelten Werke, die der 1881 viel zu früh, im Alter von erst 62 Jahren, nach langer, schwerer Krankheit Heimgegangene für das musikalische Theater geschaffen hat. Erst im April 1920 erlebte im Rahmen von Opernfestspielen sein unvollendet hinterlassenes letztes und wohl auch genialstes Werk, „Hoffmanns Erzählungen“, seine erste Premiere. In der Spielzeit 1931/32 folgte eine zweite Inszenierung. Vorausgegangen war zwei Jahre zuvor eins seiner weiteren Meisterwerke, „Orpheus in der Unterwelt“. Unter dem NS-Regime, von 1933 bis zum Ende des zweiten Weltkriegs im Mai 1945, war Offenbach, durch seine jüdische Herkunft bedingt, im gesamten Deutschland zum Schweigen verurteilt. In Cottbus verging ein weiteres Jahr, bis „Hoffmanns Erzählungen“ wieder in den Spielplan zurückkehren konnten. Danach kam es endlich zu dem entscheidenden Durchbruch. Seit der Spielzeit 1951/52 verzeichnet die bereits erwähnte, von Birgit Mache herausgegebene Jahrhundert-Festschrift „Im Rampenlicht“ jeweils drei weitere „Hoffmann“- und „Orpheus“-Neuinszenierungen sowie nicht weniger als zwölf bisher noch nicht im Theater am Schillerplatz präsentierte Offenbach-Werke, unter ihnen „Madame Favart“, „Pariser Parfüm“, „Die Prinzessin von Trapezunt“, „Salon Pitzelberger“, „Die lockere Odette“, „Ritter Blaubart“, „La Périchole“, „Die Verlobung bei der Laterne“ und – als ganz besondere Entdeckung – die 1864 für Wien komponierte Große romantische Oper „Die Rheinnixen“, aus der 16 Jahre später die Barcarole als Einleitungsmusik für den 4. Akt von „Hoffmanns Erzählungen“ übernommen wurde.

Zündender Elan und bewunderungswürdige Einfühlungsgabe

Durch diese beispiellos intensive Offenbach-Pflege der vergangenen sechs Jahrzehnte wurden am Cottbuser Staatstheater alle notwendigen Voraussetzungen geschaffen für einen glänzenden Erfolg der jüngsten, wenn wir recht informiert sind, siebenten Neuinszenierung von „Hoffmanns Erzählungen“. Sie erhielt ihr ganz besonderes Flair durch den zündenden Elan und die bewunderungswürdige Einfühlungsgabe, die von GMD Evan Christ am Dirigentenpult ausgingen, zeichnete sich aber auch durch eine hoch achtbare Ensemble- und Chorleistung aus, das Tänzerteam nicht zu vergessen. Selbst die anspruchsvollsten Partien waren sängerisch nicht weniger als darstellerisch überzeugend besetzt. Die wohlerwogene Inszenierung des Intendanten Martin Schüler verzichtete wohl ganz bewusst darauf, in die letzten Abgründe des Werkes vorzudringen. Dennoch ließ sie es an Phantasie und hintergründigem Humor nicht fehlen. Sie zeigte vor allem – nicht weniger als der Dirigent – ein untrügliches Gespür für die überwältigenden musikalischen Schönheiten des Werkes. Schüler war auf der rechten Spur, dass er nicht auf eine der umstrittenen früheren Bearbeitungen und Ergänzungen des unvollendet hinterlassenen opus summum zurückgriff, sondern sich von der wohl verlässlichsten kritischen Neuedition Fritz Oesers aus dem Jahre 1977 leiten ließ.

Hohe Ansprüche erfüllt

Die Ansprüche an die Sänger und Darsteller sind auch – und gerade ! – in dieser Version sehr hoch, aber sie werden fast ausnahmslos packend bewältigt. Das betrifft nicht nur die tragenden Partien. Die vier Dienergestalten sind mit Hardy Brachmann geradezu hinreißend zu erleben. Nicht weniger begeistern Carola Fischer in der Erscheinung der Mutter Antonias und Matthias Bleidorn als Spalanzani. Auch Ingo Witzke verdient es, als Gastwirt Lutter und Crespel gewürdigt zu werden. Die vier Frauengestalten im Brennpunkt werden nicht, wie häufig in anderen Inszenierungen, von der gleichen Sängerin dargeboten. Sie erhalten durch Debra Stanley als Olympia, Cornelia Zink als Antonia, Gesine Forberger als Giulietta und Nora Lentner als Stella eine sehr facettenreiche Prägung und erhöhen damit vielleicht sogar noch den Reiz der Aufführung. Jens Klaus Wilde gewann in der zentralen Partie des Dichters Hoffmann während der Premiere zunehmend an Ausstrahlungskraft, die sein Gegenspieler Andreas Jäpel als Lindorf, Coppelius, Mirakel und Dapertutto vom ersten Augenblick an fesselnd spüren ließ. Zu einem Highlight der Aufführung entwickelte sich auch die junge Mezzosopranistin Marlene Lichtenberg als Muse und Hoffmanns Gefährte Niklas.

Die am Abend der Premiere begeistert gefeierte Neuinszenierung verspricht auch in den kommenden Monaten einer der Höhepunkte unter den Opernaufführungen des Cottbuser Staatstheaters zu bleiben. Die nächsten Aufführungen sind angekündigt für den 18. November und 16. Dezember, jeweils um 16 Uhr, für den 2. Weihnachtsfeiertag um 19.30 Uhr sowie für 2013 am 18.Januar um 19.30 Uhr, am 24.März um 16 Uhr und jeweils um 19.30 Uhr am 11. April und 7. Mai.

 

Wolfgang Hanke

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