Uruk – Megacity des alten Orients

Faszinierende Ausstellung im Berliner Vorderasiatischen Museum

Hundert Jahre sind vergangen, seit die damalige Deutsche Orient-Gesellschaft ihre erste Ausgrabungskampagne in den Ruinen der einstigen sumerischen Metropole Uruk am Ufer des Euphrat beenden konnte. Der erste Weltkrieg und die Inflation am Beginn der 1920er Jahre machten zunächst weitere Forschungen vor Ort unmöglich. Doch bereits damals waren sich die an den umfangreichen Arbeiten beteiligten Archäologen bewusst, dass sie hier eine der gewaltigsten, wirtschaftlich, verwaltungstechnisch und kulturell fortgeschrittensten Ansiedlungen des Vorderen Orients aus dem Altertum aufgespürt hatten. Mit der Weiterführung der Grabungen von 1928 bis 1939 und seit 1954 vertiefte sich die Erkenntnis, dass Uruk schon vor fünf Jahrtausenden eine „Megacity“ mit bis zu 60 000 Bewohnern war und von einer machtvollen Priesterkaste beherrscht wurde.

Soweit wir heute wissen, war Uruk um 3000 v. Chr. wohl die erste Metropole der Menschheit und blieb für mehr als zwei Jahrtausende, bis zum Aufstieg Babylons, die größte Stadt der Welt. Allerdings ist nach bisher 39 Grabungskampagnen mit über 49 000 katalogisierten Funden, darunter 13 800 Keilschrifttafeln, noch längst nicht der gesamte Ruinenbereich im Umfang von mehr als fünf Quadratkilometern erschlossen. Weitere ausgedehnte Grabungen sind wünschenswert, werden allerdings durch die kriegerischen Geschehnisse der jüngsten Zeit und die gegenwärtige politische Situation im Irak ernsthaft behindert. Es kam wiederholt zu Raubgrabungen vor Ort und empfindlichen Schäden und Verlusten in den Museumssammlungen.

Das Berliner Vorderasiatische Museum, das seit Beginn derGrabungen maßgeblich an den Sammlungs- und Forschungsarbeiten beteiligt ist, nahm das Jahrhundertgedenken zum Anlass einer sehr einprägsamen, ja man möchte geradezu sagen faszinierenden Ausstellung, die bis zum 8. September in seinen Räumen im Südflügel des Pergamon-Museums besichtigt werden kann. Sie stellt die seit 1912/13 gewonnenen Forschungsergebnisse erstmals einer größeren Öffentlichkeit vor und findet statt in enger Kooperation mit der Orient-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin, der Deutschen Orientgesellschaft und dem Reiss-Engelhorn-Museum in Mannheim, das sie vom 22. Oktober dieses Jahres bis zum 21. April 2014 in zum Teil veränderter Zusammenstellung nochmals einem breiten Besucherkreis zugänglich machen wird. Die Berliner Präsentation ergänzt wesentlich die bisher in der Dauerausstellung des Vorderasiatischen Museums über die Geschichte und Kultur des Zweistromlandes gezeigten Bestände durch eine ganze Reihe von ausführlich erläuterten Fundstücken, die bisher im Museumsdepot verwahrt wurden. Bereichert wird sie durch wichtige Leihgaben aus dem British Museum in London, dem Ashmolean Museum in Oxford und dem Louvre in Paris. Eine wertvolle Ergänzung sind anschauliche Modelle einiger der Tempelbauten und des Gesamtkomplexes der Stadt, die einen lebensvollen Eindruck geben von deren Größe und der Vielgestaltigkeit ihrer Bauwerke.

Die Ausstellung beschränkt sich aber nicht nur auf zu einem wesentlichen Teil farbige Bildwerke, Keilschrifttafeln mit Bilderschriftzeichen aus frühester Zeit und umfangreiche Baumaterialien aus Ton und Kalkgestein. Sie gibt auch Aufschlüsse über das geistige und religiöse Leben, soweit die überlieferten Quellen davon sprechen. Wer sich die nötige Zeit zur Besichtigung nimmt, kann aus den umfangreichen Wandtexten tiefe Einblicke in eine der bedeutungsvollsten Epochen der frühen Weltgeschichte gewinnen. Ein Übriges tut der rund 400 Seiten starke, mit etwa 500 Abbildungen versehene Katalogband aus dem Imhof-Verlag in 36 100 Petersberg, der alle bis heute gewonnenen Erkenntnisse zum Thema Uruk festhält.

 

Wolfgang Hanke

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