Berlin eröffnete einen Internationalen Kammerensemble-Wettbewerbim Zeichen der Bach-Söhne mit Teilnehmern aus aller Welt
Im Gegenzug zu Leipzig, wo Johann Sebastian Bach 27 Jahre als Thomaskantor wirkte und seit dem Gedenkjahr 1950 immer wieder junge Gesangs- und Instrumentalsolisten aus aller Welt in seinem Namen mit höchstem Anspruch ihre Fähigkeiten erproben, verfügt nun auch Berlin über einen Internationalen Bach-Wettbewerb. Er wurde von der 2011 gegründeten Early Music Society Berlin e.V. angeregt. Maßgeblich von der Fakultät Musik der Berliner Universität der Künste und deren Institut für Alte Musik getragen, fand er erstmals Ende September an drei Tagen im Joseph-Joachim-Konzertsaal des einstigen Joachimsthalschen Gymnasiums in der Wilmersdorfer Bundesallee statt. Im Brennpunkt stand allerdings nicht Johann Sebastian Bach. Vielmehr sind seine drei berühmtesten Söhne, Wilhelm Friedemann, Carl Philipp Emanuel und Johann Christian, die Namensgeber. Sie lebten, wie der Vorstandsvorsitzende der Early Music Society, Jürgen Schleicher, in seinem Grußwort vor dem Finalkonzert ausführte, „von 1740 bis 1784 insgesamt 43 Jahre in Berlin und prägten in dieser Zeitspanne maßgeblich das Musikleben der erwachenden europäischen Metropole“. Eingeladen waren diesmal nicht primär Solisten, sondern Kammerensembles mit weitestgehend historischen Streich-, Blas- und Tasteninstrumenten.
Für die Endausscheidung hatten sich zehn ausnahmslos international besetzte Ensembles aus 19 Nationen mit jeweils drei bis fünf Mitgliedern im Alter von maximal 30 Jahren qualifiziert. Vokalsolisten nahmen nicht teil. Bemerkenswerterweise war jedes Ensemble länderübergreifend besetzt. Die Werkauswahl beschränkte sich nicht nur auf die Bach-Söhne. Auch einige ihrer namhaftesten deutschen, italienischen und französischen Zeitgenossen kamen zu Wort, die zu einem Teil gleichfalls in enger Beziehung zum Berliner Musikleben standen. Genannt seien vor allem Georg Philipp Telemann, Johann Gottlieb Goldberg, der Flötenlehrer Friedrichs des Großen Johann Joachim Quantz sowie die Mitglieder seiner Hofkapelle Franz Benda, Johann Gottlieb und Carl Heinrich Graun. Italien war durch Alessandro Stradella vertreten, Frankreich durch Jacques Martin Hotteterre, Jean Philippe Rameau und Jean Marie Leclair.
Es hatte eine ganz eigene Faszination, die jungen Musiker aus Deutschland, Tschechien, Polen, Österreich, Ungarn, Moldawien, Italien, der Schweiz, Frankreich, Spanien, Portugal, Israel, den USA, Kolumbien, Japan, Taiwan, Korea und Australien in ihrem Wettstreit zu erleben. Sie zeigten sich ausnahmslos hoch befähigt, brachten jeweils aber auch, ihrer multinationalen Herkunft entsprechend, eine ganz eigene Note ins Spiel, die nicht immer dem gegenwärtigen Erkenntnisstand zur historischen Aufführungspraxis entsprach und bisweilen vor allem die Tempi beträchtlich übersteigerte. Man darf wohl sagen, dass es mehr als nur drei Ensembles verdient hätten, einen Preis davonzutragen, denken wir etwa an das in Leipzig beheimatete Ensemble „Camerata Bachiensis“. Vielleicht könnte man auch über die Vergabe der drei Preise diskutieren. Das schon mehrfach ausgezeichnete deutsch-spanische Ensemble „Der musikalische Garten“ hat zweifelsohne den Ersten Preis in Höhe von 10.000 Euro verdient. Bei dem von dem kolumbianischen „Teufelsgeiger“ Santiago Medina geleiteten Trio „La Cara Cosa“ ließe sich aber wohl über die 5.000 Euro des Zweiten Preises streiten und das wohltuend empfindsam musizierende Quartett „nexus baroque“ mit zwei Blockflöten, Violoncello und Cembalo aus Japan, Korea und Deutschland, das den Dritten Preis in Höhe von 2.500 Euro erhielt, höher positionieren.
Die Jury hat aber in jedem Falle ihre Aufgabe sehr ernst genommen und mit hohem Sachverstand nach gründlichem Für und Wider entschieden. Ihr gehörten unter der Leitung von Peter Reidemeister renommierte Experten an. Genannt seien u.a. Mitzi Meyerson, Professorin für historische Tasteninstrumente an der Universität der Künste, Thérèse de Goede, Leiterin der Abteilung für Alte Musik am Conservatorium van Amsterdam, Irmgard und Christoph Huntgeburth von der Berliner UdK und Christoph Wolff, emeritierter Professor der Harvard University in Cambridge (Massachusetts) und langjähriger Direktor des Leipziger Bach-Archivs, einer der namhaftesten Bach-Forscher der letzten Jahrzehnte. Er hielt am Abend des ersten Wettbewerbstages noch einen Vortrag zum Thema „Leipzig und Berlin – zwei Stilsphären in der Kammermusik Carl Philipp Emanuel Bachs“, in dem er bemerkenswerte Aufschlüsse über die Schaffensentwicklung des zweiten der Bach-Söhne vor und nach seiner Berufung zum Hofcembalisten Friedrichs des Zweiten gab. Seine Darlegungen wurden bereichert durch musikalische Beispiele. Für deren klingende Präsentation konnte das international besetzte Berliner Quantzia Quartett gewonnen werden, das wegen des höheren Durchschnittsalters seiner Mitglieder leider nicht mehr am Bach-Wettbewerb teilnehmen konnte.
Wolfgang Hanke