Drei Jahrzehnte Akademie für Alte Musik Berlin

Zur Weltspitze der Kammerorchester aufgestiegen

Ihr Name ist längst weltweit zum Begriff geworden. 1982 im damaligen Ostteil Berlins von jungen Orchestermusikern und Studenten zur authentischen Interpretation von Musik des 13. bis frühen 19. Jahrhunderts auf historischen Instrumenten ins Leben gerufen, hat sich die Akademie für Alte Musik zu einem der international renommiertesten Ensembles seiner Spezies weit über die deutschen Grenzen hinaus hohe Anerkennung errungen und ein unverwechselbar eigenes Profil gewonnen. Die Anfänge waren unter den weithin unzureichenden Voraussetzungen, die die DDR zu bieten hatte, nicht leicht. Dennoch gelang es dem jungen Team und seinen zum großen Teil noch heute aktiven Initiatoren, mit Gastkonzerten und ersten Schallplattenaufnahmen auch jenseits der „Zonengrenze“ bekannt und bald sogar bewundert zu werden.

Den Anstoß zur Gründung der „Akamus“ hatten Ensembles gegeben, die in anderen führenden Musikmetropolen bereits seit längerer Zeit existierten. Erste Impulse dürften von Nikolaus Harnoncourt und seinen Musizierpartnern ausgegangen sein, die sich 1957 in der Vereinigung Concentus Musicus Wien etablierten, sich aber zuvor schon engagiert mit alter Musik beschäftigt hatten. Auch in der DDR, in der Bach-Stadt Leipzig, in Dresden, wo einst Heinrich Schütz mehrere Jahrzehnte die Hofkapelle leitete, in Halle und Magdeburg, den Geburtsstädten von Händel und Telemann, und weiteren musikalischen Zentren wurde bereits seit den 1950er Jahren auf historischen Instrumenten im Bemühen um stilgetreue Wiedergaben musiziert. Berlin durfte hinter ihnen nicht länger zurückstehen. Das um so weniger, als 1985 ein angemessenes, würdiges Gedenkjahr für Schütz, Händel und Bach begangen werden sollte.

Zu ihren ersten öffentlichen Konzerten wurde die Akademie für Alte Musik bemerkenswerterweise von der Berliner Humboldt-Universität eingeladen. Zwei Jahre nach ihrer Gründung, 1984, fand sie eine feste Wirkensstätte im wiederhergestellten Schinkel-Bau des einstigen Schauspielhauses am Gendarmenmarkt, wo sie noch heute alljährlich mit Abonnements- und Sonderkonzerten zu erleben ist. Im Bach-Händel-Schütz-Jahr 1985 bot sich die erste Möglichkeit zu einer grenzüberschreitenden Reise zur Innsbrucker Sommerakademie. Ein Jahr später konnte die Akamus am Festival Alter Musik im westfälischen Herne teilnehmen und eine erste Schallplatte mit Kammermusik von Telemann, Geminiani und Blavet einspielen, die auch in der BRD Beachtung fand. Im Westen waren die Ansprüche an derartige Aufnahmen bereits sehr hoch. Die Berliner Akademie konnte sich aber mit der Qualität ihrer Produktionen durchaus gegen die harte Konkurrenz behaupten, so dass sich auch Künstler aus der Alt-Bundesrepublik und einigen westeuropäischen Ländern zunehmend interessiert zeigten, mit dem Ensemble zusammenzuarbeiten.

Umfangreiche Tonträgerproduktionen

Noch vor der Wende entstand 1989 eine erste gemeinsame Aufnahme mit dem belgischen Gesangssolisten, „Altus“, und Dirigenten René Jacobs, der die Akamus bald auch für groß angelegte Opern- und Oratorienaufführungen verpflichtete. Sie wurden auf CDs und DVDs produziert, aber auch in Berlin und auf Tourneen im In- und Ausland live dargeboten. Bereits 1994 erhielt eine Einspielung von Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe mit dem RIAS-Kammerchor und der Akamus unter René Jacobs den Deutschen Schallplattenpreis. Ein Jahr später kam es zum Exklusiv-Vertrag mit dem Tonträger-Label harmonia mundi France und zum Debüt bei den Innsbrucker Festwochen mit Henry Purcells „Dido und Aeneas“ unter Jacobs, der 1996 eine erste internationale Tournee mit dem RIAS-Kammerchor und der h-Moll-Messe leitete und seitdem für eine Vielzahl weiterer Opern- und Oratorienaufführungen mit der Akademie für Alte Musik, auch in der Berliner Staatsoper, für Konzertreisen und Tonträgeraufnahmen verantwortlich zeichnete. Dabei wurde auch so manches selten zu hörende Werk wiederentdeckt. Genannt seien neben mehreren Opern und Oratorien von Georg Friedrich Händel Reinhard Keisers „Croesus“, Telemanns Hamburger Oper „Orpheus“ und Alessandro Scarlattis „Griselda“. Zu einem besonderen Höhepunkt der engen Werkgemeinschaft mit René Jacobs wurde Mozarts „Zauberflöte“.

Die 1992 begonnene Zusammenarbeit mit dem RIAS-Kammerchor unter Daniel Reuss, Marcus Creed und seinem gegenwärtigen Leiter Hans-Christoph Rademann hat sich sehr erfolgreich entwickelt und eine ganze Reihe beispielgebender Tonaufnahmen, insbesondere von Werken Bachs und seiner Familie, erbracht. Unter den mehr als 60 CD- und DVD-Produktionen, die die zum 30jährigen Bestehen der Akademie für Alte Musik erschienene Diskographie verzeichnet – von ihnen konnten inzwischen weit über eine Million Exemplare verkauft werden – , sind auch international renommierte Solistinnen und Solisten präsent wie Cecilia Bartoli, Dorothea Röschmann, Annette Dasch, Jochen Kowalski und Andreas Scholl. Auch die eigenen Aufnahmen der führenden Mitglieder des Ensembles mit Kammermusik und Konzertwerken aus Renaissance, Barock und Frühklassik haben stets weiten Widerhall gefunden und zählen nach wie vor zu den herausragenden Zeugnissen gültiger Interpretation Alter Musik.

Faszinierendes Festkonzert

Ihren 30. Gründungstag beging die Akademie für Alte Musik mit einem faszinierenden Festkonzert im Großen Saal des einstigen Schauspielhauses, dem sich ein Empfang zum zehnjährigen Bestehen des Vereins der Freunde und Förderer des Ensembles anschloss. Auf dem Programm des Konzerts standen, hinreißend musiziert unter der wechselnden Leitung der drei Konzertmeister Bernhard Forck, Georg Kallweit und Stephan Mai, vier Favoritwerke aus dem reichen Repertoire der Akademie: Heinrich Ignaz Franz von Bibers einfallsreiches Schlachtengemälde und Lamento „Battalia“, Telemanns berühmte Ouvertüre „Hamburger Ebb’ und Flut“, ein Concerto von Händel mit zwei Sätzen aus seiner Londoner „Water Music“ und Johann Sebastian Bachs vierte Orchestersuite. Eine Überraschung bot, dass sich die Akademie auch für ein Werk der Gegenwart einsetzte, ein hintergründiges Concertino für Violine mit Bernhard Forck als Solisten und Kammerorchester, “Der Zaubergarten“, von Christian Jost, der 1963 in Karlsruhe geboren wurde und seit längerer Zeit in Berlin lebt. Wie der gesamte Abend durfte sich auch dieses im vergangenen Jahr von der Akamus in Ingolstadt uraufgeführte Werk mit seinen Interpreten lebhaften Beifalls erfreuen, der sich nach dem Abschluss des offiziellen Programms regelrecht zu Begeisterungsstürmen steigerte. Sehr bemerkenswert erschien, dass bei den Zugaben auch der Nachwuchs mitwirkte, Kinder oder Schüler einiger der Orchestermusiker, die sich von ihren Lehrmeistern vortrefflich inspirieren und mitreißen ließen und ein hoffnungsvolles Zeichen für die weitere Entwicklung der Akademie setzten.-

Wolfgang Hanke

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