„Orfeo ed Euridice“ als Gemeinschaftsaufführung mit dem Staatstheater Cottbus auf der historischen Bühne des Neuen Palais Potsdam-Sanssouci

Auf dem Wege zu einer neuen Gluck-Renaissance ?

Vor 250 Jahren, am 5. Oktober 1762, erlebte Christoph Willibald Glucks erste Reformoper, „Orfeo ed Euridice“, am Wiener Burgtheater die Uraufführung ihrer Erstfassung in italienischer Sprache. Das Jubiläum gab den Anstoß für eine Wiederaufführung des Werkes im Rahmen der diesjährigen Potsdamer Winteroper im historischen Theatersaal des Neuen Palais am Park Sanssouci. Sie sollte höhere künstlerische Ansprüche erfüllen und fand daher in Koproduktion der Kammerakademie Potsdam und des Hans-Otto-Theaters mit dem Staatstheater Cottbus mit renommierten internationalen Gastsolistinnen in den tragenden Partien statt. Die Inszenierung übernahm dessen Intendant und langjähriger Operndirektor, Martin Schüler, dem auch die Initiative für das bedeutungsvolle Unternehmen zu danken war.

Am Dirigentenpult der insgesamt fünf Aufführungen stand gebürtige Turiner Antonello Manacorda, der seit zwei Jahren die Potsdamer Kammerakademie als Chefdirigent leitet. Er beherrscht nicht nur die historische Opernkunst seines Heimatlandes Italien souverän, sondern hat auch für Glucks Reformbestrebungen ein sicheres Gespür entwickelt. Er überzeugte an den packenden dramatischen Höhepunkten nicht minder als in den in die Tiefe dringenden Momenten der Klage und Trauer. Seinem Orchester gewann er ein hohes Maß an Klangkultur ab, führte und inspirierte aber auch die drei jungen Solistinnen mit sensiblem Gespür.

Sie verliehen der Aufführung ein wahrhaft internationales Profil. Maria Gortsevskaya, die Interpretin des Orfeo, stammt aus St. Petersburg, wo sie auch ihr offensichtlich sehr gründliches Studium als Sängerin und Darstellerin absolvierte. Dank der reichen weiteren Erfahrungen, die sie seitdem auf einer Vielzahl internationaler Opernbühnen sammeln konnte, auch an der Staatsoper und Komischen Oper in Berlin, gelang ihr eine packende Gestaltung der Partie. Sie fand aber auch ebenbürtige Partnerinnen in der in Berlin geborenen und in Schweden aufgewachsenen Sopranistin Isa Katharina Gericke als tief bewegender Euridice und der als Amor faszinierenden Athenerin Evmorfia Metaxaki. Sie konnte sich seit ihrem erfolgreichen Debut bei den Salzburger Festspielen vor sechs Jahren bereits in einem sehr umfangreichen Repertoire des ernsten und heiteren Musiktheaters erproben und bewähren.

 Der Cottbuser Opernchor leistet Bewundernswertes

Einen ganz entscheidenden Beitrag zum hohen Rang der fünf Aufführungen im Neuen Palais leistete der Opernchor des Cottbuser Staatstheaters in der zuverlässigen und stilsicheren Einstudierung seines Leiters Christian Möbius. Die Sängerinnen und Sänger mussten ein immenses Zeit- und Kraftpotential für die Mitwirkung an dem aufwändigen Gemeinschaftsunternehmen aufbringen, das höchste Anerkennung verdient. Bereits vor der Premiere waren sämtliche Chormitglieder genötigt, siebenmal mit dem Omnibus zu Proben von Cottbus nach Potsdam und zurück zu fahren und hatten an den Zwischentagen auch in ihrer Hauptwirkensstätte noch Verpflichtungen zu erfüllen. Dennoch steigerte sich die Intensität ihrer Mitwirkung noch von Aufführung zu Aufführung.

In Cottbus wird das Werk in der gleichen Inszenierung am 16. Februar und 7. März des kommenden Jahres wiederaufgenommen, nun mit Marlene Lichtenberg als Orfeo und im Zusammenwirken mit dem eigenen Philharmonischen Orchester unter der Leitung von Marc Niemann, der seit der Spielzeit 2008/09 als Erster Kapellmeister am Cottbuser Staatstheater tätig ist. Hier war die Oper bereits in der Saison 1996/97, ins Deutsche übersetzt, in der umfangreicheren Fassung aufgeführt worden, die Gluck zwölf Jahre nach der Wiener Premiere, 1774, in französischer Sprache für Paris geschaffen hatte. Sie bot durchaus ihre eigenen Schönheiten. Man hat sich aber diesmal mit gutem Grund, nicht nur im Blick auf das 250jährige Jubiläum, für die ursprüngliche Fassung entschieden und zum besseren Verständnis des Textes deutsche Übertitel eingeschaltet. Abzuwarten bleibt, ob der im Jahre 2014, am 2. Juli, bevorstehende 300. Geburtstag des Komponisten Anlass gibt, weitere seiner Werke wiederaufzuführen. Eine ganze Reihe seiner früheren Opern, auch jener auf den Spuren italienischer Vorbilder, wäre es durchaus wert, der Vergessenheit zu entrissen zu werden. Ob sich daraus so etwas wie eine neue Gluck-Renaissance entwickeln könnte, bleibt allerdings die Frage.

 

Wolfgang Hanke

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