Auf Richard Wagners Spuren in Thüringen

Prägende Stationen seines Lebensweges und umfangreiche Gedenkveranstaltungen zu seinem 200. Geburtstag

An den umfangreichen Gedenkveranstaltungen zum bevorstehenden 200. Geburtstag Richard Wagners, die sich über das gesamte gegenwärtige Jahr erstrecken, nimmt auch Thüringen vielgestaltigen Anteil. Es zählte nicht zu den Heimatregionen des in Leipzig Geborenen und in Dresden Aufgewachsenen und sah ihn nur gelegentlich als Gast, hat seinem Schaffen aber dennoch bedeutungsvolle Anstöße gegeben. Noch heute nimmt es – wie schon in den vergangenen 150 Jahren – in der Pflege seines Werkes einen herausragenden Platz ein.

Zu Wagners erster Begegnung mit Thüringen kam es 1834, als er als Musikdirektor einem Magdeburger Theaterensemble angehörte und mit ihm während der Sommerspielzeit in Bad Lauchstädt und Rudolstadt gastierte. Die Fahrt zwischen den beiden Gastspielorten führte ihn erstmals nach Weimar, das er allerdings nach eigener Aussage „ohne Ergriffenheit“ durchfuhr. Tiefer berührte ihn acht Jahre später auf der Rückkehr von einem längeren Aufenthalt in Paris der Blick auf die Wartburg. Er gab ihm den Anstoß, sich eingehender mit dem Sagenkomplex um Tannhäuser und den Sängerkrieg auf der Wartburg zu beschäftigen, dem er zuvor schon bei der Lektüre einer von Ludwig Tiecks Erzählungen begegnet war.

Im Mai 1840 erhielt Weimar für Wagner herausragende Bedeutung, als er sich nach der Teilnahme am Dresdner Maiaufstand auf der Flucht befand. Er gewann hier Franz Liszt, der seit dem vorangegangenen Jahre das Amt des Hofkapellmeisters in der Goethe-Stadt innehatte und mit seiner Lebensgefährtin Marie d´Agoult in der Altenburg residierte, als verlässlichen Freund und „Fluchthelfer“. Der nur eineinhalb Jahre Ältere sorgte dafür, dass sich Wagner nach der Veröffentlichung des Steckbriefs zunächst in einer nahe gelegenen Kleinstadt, Magdala, vor seinen Verfolgern verbergen konnte, und verschaffte ihm alsbald einen falschen Pass, der ihm die Ausreise nach der Schweiz ermöglichte. Bereits ein Jahr später brachte er am Weimarer Hoftheater auf Wagners ausdrückliche Bitte dessen Oper „Lohengrin“ zur Uraufführung, die in Dresden durch die politischen Widrigkeiten unmöglich geworden war.

Bevor Wagner auf dem Weg in das Schweizer Exil Thüringen verließ, war es ihm noch möglich, Eisenach und die Wartburg aufzusuchen und die Gastfreundschaft der Weimarer Großherzogin, der Zarentochter Maria Pawlowna, bei einem Empfang im Eisenacher Schloss zu genießen. Nachdem es ihm wieder möglich war, sich in Deutschland aufzuhalten, wandten sich seine Interessen erneut Thüringen zu. 1861 nahm er in Weimar am 2. Musikfest des Allgemeinen Deutschen Musikvereins teil. Eine Zeitlang dachte er an Weimar sogar als mögliches Festspielzentrum für seine Nibelungen-Dramen. Ein geeigneter Platz für das Festspielhaus war bereits ausgewählt. Zu seiner Errichtung kam es aber nicht, weil durch den jungen Bayern-König Ludwig II. zunächst München und schließlich Bayreuth in den Brennpunkt rückten. Die Beziehungen zu Thüringen rissen aber nicht ab, weil auch dessen kulturelle Zentren alle Kräfte sammelten, eine intensive Wagner-Pflege aufzubauen.

Davon legen die umfangreichen Aktivitäten des gegenwärtigen Gedenkjahres eindrucksvoll Zeugnis ab. Sie konzentrieren sich nicht nur auf Weimar und Eisenach, wo u.a. im Festsaal der Wartburg mehrmals „Tannhäuser“ konzertant zu erleben ist und in dem von dem Dichter Fritz Reuter erworbenen und bis zu seinem Tod 1874 bewohnten repräsentativen Villenhaus ausgewählte Exponate der 1895 von einem Wiener Wagner-Verehrer erworbenen umfassenden Dokumentensammlung zu Leben und Schaffen des Komponisten, der zweitgrößten nach den Bayreuther Beständen, gezeigt werden.

Mühlhausen eröffnete das Wagner-Jahr an der Orgel der St. Marien-Kirche mit einst viel gespielten Adaptionen aus Wagner-Opern. Meiningen, wo Wagner 1877 in Gemeinschaft seiner zweiten Frau Cosima, der Tochter Franz Liszts, in dem künstlerisch vielseitig interessierten „Theaterherzog“ Georg II. einen verständnisvollen Gesprächspartner fand, präsentiert das gesamte Jahr über in seinem erst kürzlich sanierten und großzügig erweiterten Theater Werke Wagners, darunter seine frühe Oper „Das Liebesverbot“, und ein neues Schauspiel von Reinhard Baumgart, „Wahnfried – Bilder einer Ehe“. Das Meininger Theatermuseum zeigt aufwändig gestaltete Ausstattungsstücke von glänzenden Inszenierungen des einstigen Hoftheaters. Sondershausen bietet Ende Juni im Rahmen der Thüringer Schlossfestspiele eine Neuinszenierung des „Fliegenden Holländers“ unter Mitwirkung des Loh-Orchesters, das einst als Hofkapelle nachdrücklich zum Durchbruch von Wagners und Liszts Werken beitrug. Auch Jena, Saalfeld und Rudolstadt beteiligen sich an den Ehrungen des gegenwärtigen Jubiläumsjahres, über die eine im vergangenen Jahr von der Thüringer Tourismus GmbH in Erfurt herausgegebene Broschüre „Richard Wagner in Thüringen. Aufbruch in die Moderne“ ausführlich unterrichtet.